Das französische Modell der "republikanischen Integration" ist gescheitert, darüber sind sich die Kommentatoren einig. Aber auch das britische Modell des toleranten Multikulturalismus hat sporadische Ausbrüche der Gewalt nicht überall verhindern können. Wenn man aus der Überfülle der Expertenmeinungen zu den Unruhen in Frankreich eine Lehre zu ziehen versucht, dann scheint es, dass ein einziges Wunderrezept zur Lösung der Migrantenprobleme nicht existiert.

Was bisher da und dort Resultate gebracht hat, war die Kombination von vielen, vielen kleinen und großen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Initiativen vor Ort. Kurz gesagt: Knochenarbeit und ziemlich viel Geld.

Der französische Zugang zur Zuwanderung war in der Theorie wunderschön. Wer in Frankreich geboren ist, ist Franzose, unabhängig von seiner Hautfarbe und seiner Religion. Er ist ein "citoyen", ein mündiger Bürger, und hat Teil an der französischen Kultur und der universellen Tradition der republikanischen Werte. Ihr Hort ist die laizistische Schule für alle, in der Kopftuch und Kreuz keinen Platz haben.

Aber das ist nur die Theorie. Sie verblasste vor der Praxis von Arbeitslosigkeit, verkommenen Gettovierteln, überforderten Schulen und Eltern. Die jugendlichen Randalierer, sagte kürzlich ein Lehrer aus der Pariser Vorstadt, identifizierten sich nicht mit der französischen Republik, sondern nur mit ihrem Wohnblock und ihren zornigen Freunden.

Die Briten, mit der jahrhundertelangen Erfahrung eines Weltreichs, gingen es anders an. Im Vereinigten Königreich kann jeder Zuwanderer seine Kultur behalten, Bus-Chauffeure mit Sikh-Turban und Bankbeamtinnen mit Kopftuch sind eine Selbstverständlichkeit. Gewaltausbrüche gab es trotzdem, nicht zuletzt zwischen verschiedenen Gruppen von Zuwanderern.

Freilich, die Unruhen verdecken die Beispiele von gelungener Integration, die es in beiden Ländern und anderswo in Europa auch gibt. Fast immer sind sie die Frucht von vielfältigen und geduldigen Bemühungen aller möglichen Gruppen und Institutionen in den Migrantenvierteln - um Lernhilfe, Jugendzentren, Schulungsprogrammen, Sportveranstaltungen und natürlich Arbeitsmöglichkeiten.

Wo junge Zuwanderer Teil der Zivilgesellschaft sind, "dazugehören", Beschäftigung und Zukunftsperspektiven haben, setzen sie keine Autos in Brand. In Frankreich kreidet man es der Regierung derzeit besonders an, dass sie den einschlägigen Vereinen in letzter Zeit die Subventionen gekürzt und auch das Experiment der "Nachbarschaftspolizei" beendet hat.

Darunter war zu verstehen, dass die Jugendlichen die Polizisten nicht nur als strenge und anonyme Ordnungsmacht erleben sollten, sondern als persönlich bekannte Positivgestalten, die gelegentlich auch einmal ein Fußballmatch organisieren.

Gut davongekommen

Wir in Österreich haben allen Grund, die Ereignisse genau zu beobachten und uns nicht darauf zu verlassen, dass die selige Ruhe hier zu Lande ewig andauern wird. Die Erfahrung zeigt, dass es die zweite und dritte Zuwanderergeneration ist, die sich nicht länger ducken will und rebelliert, wenn sie sich um die Chancengleichheit mit den Eingesessenen betrogen fühlt.

Wir sind bisher gut davongekommen. Aber damit es so bleibt, brauchen wir jetzt eine kluge und aktive Zuwandererpolitik samt den Personen und den Geldmitteln, die dafür notwendig sind. Und das heißt: null Konzessionen an Strache und Co. Und mehr Gehör für diejenigen, die schon lange mit Migranten arbeiten und wissen, was diese brauchen.