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Wien - Eigentlich hatten viele Analysten zum Jahresende mit einer schwachen US-Währung gerechnet: Die Prognosen lagen zwischen 1,35 und 1,40 Dollar für einen Euro. Den jüngsten Kraftanfall des "Greenback" haben allerdings die wenigsten erwartet.

Die Twin-Defizits der USA - nämlich das hohe Budget- und das Handelsbilanzdefizit - hätten deutlich auf den Dollar drücken sollen. Doch es kam anders: Scheinbar mühelos durchstieß der Dollar alle Barrieren, und nach dem Bruch der Marke von 1,19 kam es zu einem regelrechten Ausverkauf und einem Kursrückgang des Euro bis unter 1,18.

Konjunkturerholung

Überraschend gute US-Konjunkturdaten haben der amerikanischen Währung Auftrieb gegeben. "Das Jahresende wird vermutlich von einer gravierenden Dollar-Stärke geprägt sein, sollte der Bereich um die 1,18 auch dauerhaft durchstoßen werden", erläutert Fremdwährungsanalyst und Fondsmanager Gerhard Massenbauer, der als einer der wenigen mit einem starken Dollar gerechnet hatte. "Dieser Wert hat 2004 gehalten; sollte er in nächster Zeit mit Nachdruck durchbrochen werden, sind heuer noch Kurse um 1,15 wahrscheinlich - eventuell ist sogar eine Annäherung an 1,10 denkbar."

Doch der Dollar-Anstieg - vor allem für die Rohstoffpreise, die in dieser Währung abgerechnet und davon abhängigen Unternehmen gefährlich werden - kommt nicht allen ungelegen: Er spült, rechtzeitig vor dem Bilanzstichtag zum Jahreswechsel, noch einen schönen Batzen Geld in die Kassen aller exportorientierten Unternehmen, deren Aktien damit in den Mittelpunkt rücken.

Deutsche Autobauer

Das sind zuallererst die deutschen Autobauer wie BMW, Porsche und Mercedes, die hier noch einen Währungsbonus einstreifen können. VW, in den USA nur mäßig erfolgreich, könnte dabei ebenfalls ein schmales Stück vom Dollar-Kuchen abschneiden. In der zweiten Reihe sollte MAN - vor allem im Bereich Boots- und Schiffsmotoren - durch den höheren Dollar dazuverdienen können.

Da Deutschland Exportweltmeister ist, wird die gesamte Wirtschaft - ausgenommen die stark von Rohstoffen direkt abhängigen Betriebe - indirekt oder direkt vom stärkeren Dollar profitieren können. Das sollte auch die positive Wirkung auf den Dax, der schon seit Wochen lustlos um die 5000er-Marke pendelt, nicht verfehlen. Investoren könnten hier mit einem Open-End- Indexzertifikat auf den Dax, zum Beispiel von ABN Amro, bei einem Anstieg mitverdienen.

Mit Rohstoffen gewinnen

Mit Rohstoffen könnte sich jetzt ebenfalls Gewinn machen lassen: So gut wie alle Metalle werden in Dollar abgerechnet - steigt der "Greenback" und bleibt der Grundpreis stabil, ist in Euro gerechnet durch den steigenden Dollar schon ein Plus drin. Steigt der Grundpreis an, verstärkt sich dieser Effekt. Hier könnten sich Anleger spesengünstig für ein Goldzertifikat in US-Dollar entscheiden. Aber Vorsicht: In der Vergangenheit haben sich Dollar und Goldpreis oft umgekehrt proportional zueinander verhalten: Stieg der eine, fiel der andere. Und so war auf Euro-Basis nicht immer automatisch Geld zu verdienen. Mittelfristig sollte der US-Dollar zum Euro wieder schwächer werden: "Wir rechnen mit Dollar-Wechselkursen um die 1,28 bis zum Jahresende 2006", meint Gerhard Massenbauer. (Reinhard Kremer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.11.2005)