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derStandard.at: Am 23. Jänner endet die Umsetzungsfrist für die EU-Richtlinie über die Gleichstellung von Nicht-EU-Bürgern, die sich langfristig in einem EU-Mitgliedsstaat niedergelassen haben. Was schreibt diese genau vor?

Perchinig: Drittstaatsangehörige mit langfristigem Aufenthalt müssen die gleichen Rechte haben wie Staatsangehörige. Als Drittstaatsangehörige mit langfristigem Aufenthalt gelten all jene, die drei Bedingungen erfüllen: Erstens: Fünf Jahre legaler und ununterbrochener Aufenthalt. Zweitens: Regelmäßiges Einkommen. Drittens: Krankenversicherung. Zusätzlich gibt es noch einen "Kann-Passus", in dem die Mitgliedsstaaten verlangen können, dass Integrationsbedingungen erfüllt werden. Das ist für Österreich reinreklamiert worden. In Österreich gilt diese Integrationsvereinbarung ja seit 1998. Was die EU-Richtlinie betrifft, kann der Integrationspassus deswegen nur bei Leuten angewandt werden, die erst seit 1998 im Land sind. Für die anderen gelten die ersten drei Bedingungen.

derStandard.at: Eine Konsequenz der Richtlinie wäre, dass Gemeindebauten auch für Nicht-EU-BürgerInnen geöffnet werden. Was noch?

Perchinig: Für Österreich zentral sind die Punkte: Zugang zur Arbeit und selbstständiger Tätigkeit, das heißt, für diese Gruppe gilt das Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht mehr. Weiters wichtig ist der Zugang zu Sozialhilfe und eben der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen einschließlich dem öffentlichem Wohnraum.

derStandard.at: Die Stadt schiebt die Verantwortung zur Umsetzung an den Bund und umgekehrt. Wo liegt sie nun wirklich?

Perchinig: Im Fremdenrechtspaket ist der Status des langfristigen Aufenthalts tatsächlich bereits definiert. Es gibt aber keine automatische Umstellung auf diesen Status. Wenn man ein "langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger" werden möchte, muss man erst einen Antrag stellen. Dann kann man zum Beispiel um eine Gemeindebauwohnung ansuchen.

derStandard.at: Ist die Stadt Wien damit aus der Verantwortung genommen?

Perchinig: Rein rechtlich gesehen ja. Die Stadt Wien kann aber jede Richtlinie günstiger interpretieren. Meiner Meinung nach muss Wien hier flexibel agieren und die Richtlinie nicht so formalistisch interpretieren. Die Absicht hinter der Richtlinie ist es ja, eine Spaltung in der Gesellschaft zu verhinden. Menschen, die über einen längeren Zeitraum in einem Land leben, sollen auch sozialpolitisch gleiche Rechte haben. Die Stadt Graz hat beispielsweise bei den Gemeindewohnungen eine 20 Prozent-Quote für MigrantInnen, es müssen nur die allgemeinen Bedingungen für eine Gemeindewohnung erfüllt werden, und da gehört das regelmäßige Einkommen nicht dazu. Gemeindewohnung sollten schließlich sozial schwächeren Schichten zur Verfügung stehen.

derStandard.at: Sehen Sie vorprogrammierte Konflikte zwischen sozial schwächeren Schichten? Wie könnte die Gemeindepolitik eventuellen Konflikten entgegenwirken?

Perchinig: Wenn sozial Ausgegrenzte, Unterschichtsangehörige aus verschiedenen ethnischen Gruppen zusammenkommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu Konflikten kommt. Deswegen muss man darauf achten, dass keine sozialen Ghettos entstehen. Das kann durch Zuteilung gesteuert werden. Auf Grund der Menge und der Verstreuung der Gemeindebauten in Wien ist das auch ohne weiteres möglich. Und nur weil sozial schwächere Personen die Wohnungen zugeteilt bekommen, heißt das ja nicht, dass die auch sozial schwach bleiben.

Es ist aber notwendig, das Ganze zu begleiten, durch Mediation und intensive Gebietsbetreuung beispielsweise. Auch sollte man sich überlegen, ob man die Bedingung der Niedrigeinkommen nicht unter bestimmten Bedingungen etwas lockert. Das ist eine wichtige sozialpolitische Aufgabe.

derStandard.at: Wie groß wird der Personenkreis tatsächlich sein, der nun zusätzlich berechtigt ist, um Gemeindewohnungen anzusuchen?

Perchinig: Den Status des langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen werden sicher etwa zwei Drittel der MigrantInnen bekommen. Das Bild vom Strom der MigrantInnen in die Gemeindebauten ist aber definitiv falsch. Ich gehe davon aus, das sich die Zahl in etwa an der Zahl der an MigrantInnen vergebenen Notfallswohnungen orientiert. Das wären dann etwas über 3000 in Wien. (mhe)