---- 1 Dachzeile(n) 11p ---- 2 Hauptzeile(n) 27p ---- HANS RAUSCHER Zu 48% gefüllt Aufgrund einiger Presseaussendungen der SPÖ zum Thema "Reichensteuer" kann man sich nun ausrechnen, wer für die Sozialdemokratische Partei als "reich" anzusehen ist. Von Alfred Gusenbauer ist seit Längerem bekannt, dass er eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage von derzeit 3630 Euro brutto monatlich auf 5000 Euro will.

Dies wurde zuletzt von SP-Bundesgeschäftsführer Darabos bestätigt. Die Höchstbeitragsgrundlage ist jener Wert, ab dem die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr progressiv steigen. Erhöht man diese Kennziffer, so fallen naturgemäß mehr Sozialabgaben an.

Da Darabos und die SPÖ überhaupt diese Erhöhung unter dem Titel "Die Reichen stärker zur Kasse zu bitten" propagieren, ist der Schluss zulässig: Für die SPÖ beginnt Reichtum bei 3630 brutto monatlich (in altem Geld: 50.000 Schilling).

Das liegt aber nur geringfügig über dem, was der Budgetsprecher der SPÖ, Christoph Matznetter, als klassische "Leistungsträger des Mittelstandes, also z.B. bei einem Einkommen von 3300 brutto im Monat" bezeichnet. Überspitzt formuliert: Für die SPÖ liegt bei 3300 der Mittelstand, ab 3630 der Reichtum.

Das klingt wieder nach der Entstehung eines größeren Pallawatsch bei einem Thema , das im kommenden Wahljahr ein zentrales sein könnte. Denn Matznetter fährt seit einiger Zeit eine sachlich plausible Linie des Inhalts, dass unter dieser Regierung und besonders unter Finanzminister Grasser der so genannte Mittelstand genau nichts von der Steuerreform hat und sogar stärker belastet wird als Konzerne. Auf die selbst gestellte Frage "Wer zahlt die Maut in diesem Staat?" antwortet Matznetter mit dem Befund: "Das mittlere Einkommensdrittel".

Soll (vereinfacht) heißen, ein Drittel der Bezieher niedriger Einkommen zahlt ohnehin keine oder kaum Steuer, das obere Drittel ist begünstigt, weil es höhere "Nicht-Arbeitseinkommen" aus Kapitalveranlagung, Vermietung usw. hat, die relativ begünstigt sind (Diese Argumentation vergisst, dass "Kapitalanlage" ja auch die Abermilliarden auf Sparbüchern und Investmentfonds bedeuten, die sich auch der Mittelstand erspart hat).

Zunächst aber ist eine Entlastung des Mittelstandes sicherlich die vordringlichste Aufgabe. Sollte das die SPÖ ernst meinen, wäre ihr zu gratulieren. Vorläufig aber werden Bezieher von (oberen) Mittelstands-Einkommen als "reich" bezeichnet. Dazu kommen laut Gusenbauer "Leute, die gehen nicht arbeiten und sind trotzdem sehr vermögend". Wer ist das? Primararztwitwen mit Zinshäusern? Und die werden das Kraut fett machen?

Die "Reichensteuer" ist (wie in Deutschland) entweder eine reine Populismussteuer ohne echten Ertrag, mit der die SPD kompensiert, dass die Masse belastet wird; oder sie setzt (wie bei der Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage, die die SPÖ will) schon bei (oberen) Mittelstandseinkommen an.

Das kann nicht der Ernst der SPÖ sein, weil das politisch wie sachlich kontraproduktiv wäre. Matznetter spricht von einer Entlastung des Mittelstandes, die auf Kosten der Konzerne durchzuführen sei, will aber gleichzeitig Einkommen aus Kapitalanlagen stärker besteuern, was zum Großteil wieder den Mittelstand treffen würde. Wo fängt also der Reichtum in der Augen der SPÖ wirklich an? Womit haben "Leis^tungsträger" (Matznetter) im Falle eines SPÖ- Kanzlers oder -Finanz^ministers zu rechnen?

Wenn der Mittelstand bisher die Hauptlast trug, wer wird sie dann tragen – die paar "Superreichen"? Das wüssten viele gern. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2005)