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Bundespräsident Fischer und der afghanische Präsident Karzai im Inneren Burghof.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger
Wien - Die USA werden nach Angaben des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai ihre Truppen in Afghanistan im nächsten Jahr wahrscheinlich reduzieren. Dies bedeute jedoch nicht, dass Washington seinem Land weniger Aufmerksamkeit schenken werde, so Karzai am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Heinz Fischer in Wien. Diese Truppenreduzierung der Amerikaner werde durch die NATO sowie afghanische Streitkräfte kompensiert.

Fischer zeigte sich nach dem Gespräch mit Karzai optimistisch über die Entwicklung in Afghanistan. Österreich werde seine Hilfszusagen einhalten. Fischer verwies auf die Einsätze des österreichischen Bundesheeres in Afghanistan und zeigte sich erfreut, dass Karzai Unterstützung für Österreichs Bestrebungen auf einen UNO-Sicherheitsratssitz in den Jahren 2009/2010 zugesagt habe.

"Der Aufbau des Staates braucht Zeit"

Karzai sagte, sein Land werde solange ausländische Truppen benötigen, bis "wir auf eigenen Füßen stehen können" und die Institutionen wie Militär, Polizei und Justiz gefestigt seien. Wann dieser Zeitpunkt gekommen sein wird, lasse sich derzeit nicht abschätzen. "Der Aufbau des Staates braucht Zeit" und die "Wunden der Zerstörung" in seinem Land müssten heilen.

Zum Terrorismus sagte der afghanische Präsident, dieser werde Afghanistan noch länger beschäftigen. Das der Terror nicht erfolgreich sei, habe jedoch die "massive Teilnahme" an den jüngsten Parlamentswahlen gezeigt. Die beste Antwort auf den Terrorismus sei eine Stärkung der demokratischen Institutionen. Die radikalislamischen Taliban und die Terror-Organisation setze Karzai gleich: "Das ist dasselbe, wir unterscheiden hier nicht." Er betonte, seine Regierung habe die Kontrolle über das ganze Land, allerdings fehlten in manchen Landesteilen noch die "verwaltungstechnischen Fähigkeiten" um die staatlichen Dienstleistungen anbieten zu können.

Drogenanbau

Als wichtigstes Problem bezeichnete Karzai den Drogenanbau in seinem Land. Im Vorjahr sei es gelungen, den Mohnanbau um 21 Prozent zu reduzieren, für heuer erwarte er ein ähnliches Ergebnis.

Bundespräsident Fischer unterstrich die Bedeutung der neuen afghanischen Verfassung und der jüngsten, fair verlaufenen Parlamentswahlen. Beeindruckt habe ihn auch die wachsende Rolle der Frauen im politischen Leben Afghanistans. Karzai sagte zu, eine Ausstellung baktrischen Goldes nach Wien zu bringen.

Gedankenaustausch mit Khol

Karzai hat Dienstagnachmittag das Parlament besucht und ist mit Nationalratspräsident Andreas Khol zu einem Gedankenaustausch zusammengetroffen. Karzai berichtete laut Parlamentskorrespondenz über die erfolgreich verlaufenen Wahlen in Afghanistan, über die Konstituierung der 249-köpfigen Nationalversammlung und informierte über Fortschritte im Demokratisierungsprozess seines Landes. Die gute wirtschaftliche Entwicklung, die Wiederherstellung der im Krieg zerstörten Gebäude, der Gründung von Unternehmen, insbesondere auch im Mediensektor, stimmten ihn optimistisch. "Die Afghanen nehmen ihr Schicksal in die eigenen Hände, der Weg, den sie zu gehen haben, ist aber noch lang", sagte Karzai.

Die internationale islamische Konferenz, die derzeit in Wien stattfinde und an der der afghanische Staatspräsident teilnehme, sei angesichts der Unruhen in Paris ein wichtiges Signal, sagte Khol laut Aussendung. Er glaube nicht an den "Clash of Civilizations", sondern an das Zusammenwirken der Kulturen. In Österreich seien die Moslems schon seit der Zeit der Monarchie eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Derzeit sorgten 1.000 Imame im Auftrag der Republik für den Religionsunterricht moslemischer Kinder, denn es sei das Ziel Österreichs, Zuwanderer aus moslemischen Ländern im Geist der Toleranz zu Österreichern zu machen, so Khol.

"Progressive Verfassung"

Karzai hat am Montag und Dienstag auch an der Konferenz "Der Islam in einer pluralistischen Welt" in der Wiener Hofburg teilgenommen und in seinem Redebeitrag vom Dienstagvormittag eine positive Bilanz der letzten vier Jahre in seinem Land gezogen. Es sei "viel erreicht" worden. Die "progressive Verfassung" auf Basis des Islam garantiere die gleichen Menschenrechte für alle, anerkenne die soziale und sprachliche Vielfalt in Afghanistan und habe dazu geführt, dass 71 der 249 afghanischen Parlamentsabgeordneten Frauen seien. Der Aufbau einer afghanischen Zivilgesellschaft zeige sich auch in der Vielfalt der Medien und der Gründung von Menschenrechtsorganisationen.

Karzai wies darauf hin, dass der Islam historisch immer eine tolerante Religion war und andere Kulturen anerkannte. Die Muslime seien von Beginn an "sehr kosmopolitisch" gewesen. "Wissenschaft, Literatur und Kunst blühten." Er verwies auf die gemeinsamen moralischen Werte der verschiedenen Kulturen und Religionen, die das Fundament des Zusammenlebens bilden müssten. (APA)