Wiesbaden/Luxemburg - Die deutsche Wirtschaft ist dank boomender Exporte und steigender Investitionen wieder auf Wachstumskurs. Trotz der hohen Ölpreise hat die Konjunktur nach der Flaute vom Frühjahr im Sommer wieder an Schwung gewonnen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im dritten Quartal saison- und kalenderbereinigt real um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.

Deutschland lag damit genau im europäischen Durchschnitt. In der Eurozone und in der gesamten EU wuchs die Wirtschaft von Juli bis September ebenfalls um 0,6 Prozent. Die Aussichten für das Gesamtjahr bleiben wegen der schwachen Inlandsnachfrage und wegen des schrumpfenden Konsums aber verhalten. Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich auch wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung Anfang 2007 verschlechtert.

"Die Inlandsnachfrage bleibt die Achillesferse der Konjunktur", betonte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim am Dienstag. ZEW-Präsident Wolfgang Franz mahnte "tiefer gehende Reformen am Arbeitsmarkt" und eine große Steuer- und Gesundheitsreform an.

Ohne diese Maßnahmen sei nicht mit einem nachhaltigen Beschäftigungsaufbau zu rechnen. "Dieser ist dringend notwendig, für eine sich selbst tragende Erholung der Konjunktur, damit Deutschland wieder auf einen höheren Wachstumspfad kommt."

"Leichter Aufschwung"

Experten sprechen von einer "Erholung" und einem "leichten Aufschwung". Wichtigster Antriebsmotor für die deutsche Wirtschaft waren die Exporte in alle Welt, berichtete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Im Inland investierten die Unternehmen wieder mehr in Ausrüstungen und sonstige Anlagen. Dagegen schrumpfte der private Konsum weiter.

Das Wachstum war von Juli bis September genauso kräftig wie zu Jahresbeginn. Laut revidierten Zahlen des Bundesamtes hatte die Konjunktur im ersten Quartal ebenfalls um 0,6 Prozent (statt 0,8 Prozent) zugelegt. Im zweiten Vierteljahr habe die Wirtschaft nicht mit 0,0 Prozent stagniert, sondern sei leicht um 0,2 Prozent gewachsen.

Rechnet man die ersten drei Quartale zusammen, so ist die Wirtschaft seit Jahresbeginn um 0,8 Prozent gewachsen. Das entspricht genau der Vorhersage der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und der Bundesregierung für das Gesamtjahr. Sie erwarten für 2005 ein Plus von 0,8 Prozent. Wegen der hohen Ölpreise hatten die Institute erst vor kurzem ihre Prognosen nach unten revidiert.

Die Bundesbank geht davon aus, dass die Wirtschaft im Gesamtjahr kalenderbereinigt um rund ein Prozent in Deutschland wachsen wird. "Für das letzte Quartal dieses Jahres kann aus heutiger Sicht durchaus mit einer weiterhin positiven Grundtendenz gerechnet werden", sagte Bundesbank- Vorstandsmitglied Hermann Remsperger.

Wachstum trotz hohem Öl-Preis

Trotz hoher Öl- und Benzinpreise zieht das Wachstum in ganz Europa wieder an. Die Wirtschaft in der Eurozone und der gesamten EU stieg im dritten Quartal um 0,6 Prozent, meldete die Europäische Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg in einer Schnellschätzung. Im zweiten Quartal war die Wirtschaft in der Eurozone um 0,3 Prozent gewachsen, in der EU mit 25 Staaten um 0,4 Prozent.

Für das Gesamtjahr erwartet die Kommission in der Eurozone wegen der hohen Energiepreise nur noch ein Wachstum von etwa 1,2 Prozent. Die Behörde will an diesem Donnerstag ihr Herbst-Konjunkturgutachten vorlegen. Während Deutschland im dritten Quartal 0,6 Prozent zulegte, erreichte Frankreich 0,7 Prozent Wachstum und Spanien 0,8 Prozent.

Die Konjunkturerwartungen für Deutschland sind nach einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW/Mannheim) unter Analysten und institutionellen Anlegern wegen der schwachen Inlandsnachfrage und der geplanten Mehrwertsteuererhöhung leicht gesunken. Der ermittelte Index ging im November im Vergleich zum Vormonat überraschend um 0,7 Punkte auf 38,7 Punkte zurück.

Positiv hätten sich der gesunkene Ölpreis und der günstige Euro-Dollar- Wechselkurs auf die Auftragseingänge ausgewirkt. "Negativ zu Buche schlägt jedoch, dass die wesentlichen Nachfrageimpulse aus dem Ausland kamen", teilte das ZEW mit. "Die Unsicherheit über den künftigen wirtschafspolitischen Kurs und insbesondere die geplante Mehrwertsteuererhöhung schwächen das Vertrauen der ohnehin schon verunsicherten Verbraucher." (APA/dpa/AP)