Tirol muss vorerst auf die geplanten Lkw-Fahrverbote auf Teilen der Inntalautobahn für bestimmte Gütertransporte verzichten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag wie erwartet eine entsprechende Regelung untersagt. Ganz vom Tisch sind die Fahrverbote nach dem Urteil aber nicht.

Tirol sei nach Überschreitung des von der EU festgesetzten Jahresgrenzwertes für Stickstoffoxid grundsätzlich sogar "zum Handeln verpflichtet" gewesen, stellt das EU-Gericht fest. Würde das Land die Verbote besser begründen und länger vorbereiten, sei "nicht auszuschließen", dass - nach Prüfung von Alternativen - neue Fahrverbote trotz Behinderung des freien Warenverkehrs im Interesse des Gemeinwohls doch noch gerechtfertigt sein könnten, so der EuGH sinngemäß in seinem Urteil. Der Luxemburger EU-Gerichtshof habe damit durchaus einen "beachtenswerten Schritt" gesetzt, hieß es nach der Urteilsverkündung aus informierten Kreisen zur APA. "Der Gerichtshof hat erstmals in einem Urteil, das in Zusammenhang mit dem Brenner steht, die starke Bedeutung des Umweltschutzes hervorgehoben."

Landeshauptmann Herwig van Staa (V) und Verkehrsreferent, LHstv. Hannes Gschwentner (S) kündigten noch am Dienstag einen neuen Anlauf für ein sektorales Lkw-Fahrverbot in "eineinhalb bis zwei Jahren" an. Die Pläne würden nicht "ad acta" gelegt, müsse aber beim zweiten Anlauf "wasserdicht" sein, sagte Gschwentner. Schon davor hofft das Land, dass auch der Bund im Zuge der Novelle des "IG-Luft" ein "nationales Maßnahmenpaket" festschreibt.

Tirol kündigt neue Fahrverbote bis 2007 an

"In Zukunft müssten sektorale Fahrverbote möglich sein", forderte auch Vizekanzler Hubert Gorbach. Es gehe nicht an, dass Holz oder Schrott auf der Straße "von A nach B kurven". Das geplante sektorale Fahrverbot auf der Brenner-Autobahn sei jedoch zu wenig vorbereitet und zu schnell umgesetzt worden. Die Zuständigkeit für die vom EuGH gekippte Regelung sieht Gorbach aber nicht bei seinem Verkehrsministerium, sondern beim Tiroler Landeshauptmann.

Aus Gründen des Umweltschutzes könne eine Behinderung des freien Handels grundsätzlich gerechtfertigt sein, erklärte der EuGH am Dienstag in seinem endgültigen Urteil. Das 2003 beschlossene sektorale Fahrverbot verstoße aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Vor Erlassung einer so radikalen Maßnahme wie der eines völligen Fahrverbots auf einem Autobahnabschnitt, der eine überaus wichtige Verbindung zwischen bestimmten Mitgliedstaaten darstelle, "hätten die österreichischen Behörden sorgfältig prüfen müssen, ob nicht auf weniger beschränkende Maßnahmen zurückgegriffen werden könnte", so der EuGH.

Ausweichmöglichkeit

Außerdem hätten die österreichischen Behörden nicht hinreichend untersucht, ob eine realistische Ausweichmöglichkeit bestünde, um eine Beförderung der betroffenen Güter mit anderen Verkehrsträgern oder über andere Straßenverbindungen sicherzustellen, und insbesondere, ob ausreichend geeignete Schienenkapazität zur Verfügung steht. Und auch der Übergangszeitraum von nur zwei Monaten für die Durchsetzung des Verbotes sei unzureichend gewesen, um den betroffenen Unternehmen ausreichend Zeit zu geben, erklärten die Luxemburger Richter.

Das Transitforum Austria-Tirol sieht nach dem Transiturteil des EuGH die nationale Politik gefordert. "Aufgehoben ist nicht aufgeschoben", erklärte Obmann Fritz Gurgiser. Mit dem Urteil sei "eine Trendumkehr möglich". Für den Grünen Klubobmann, LAbg. Georg Willi ist das Urteil "keine Überraschung". Landeshauptmann Van Staa und sein Vize Gschwentner müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die Vorbereitung des Fahrverbotes schlampig gewesen sei und Fehler gemacht worden seien, die vermeidbar gewesen wären. Insbesondere die eindringlichen Warnungen von EU-Rechtsexperten und der Grünen Monate vor Erlassung des Sektoralen Fahrverbotes seien von der Landesregierung ignoriert worden.

"Absurdes Kapitel der österreichischen Verkehrspolitik"

Andere Maßnahmen, die der EuGH selbst während des Verfahrens zum Sektoralen Fahrverbot vorgeschlagen habe, habe die Landesregierung bis heute nicht umgesetzt. Dazu zählten unter anderem ein Fahrverbot für Lkw der Klasse Euro 0, Euro 1 und Euro 2, sowie die Ausdehnung des Lkw-Nachtfahrverbotes auf zwölf Stunden, so die Grünen und ebenso die Arbeiterkammer (AK). "Allgemeine, aber diskriminierungsfreie Fahrverbote für besonders umweltschädliche Lkw" seien "laut EU-Recht durchaus möglich", meinte AK-Verkehrsexperte Franz Greil. Tirols Verkehrslandesrat Gschwentner will allerdings erst überprüfen, wie sich ein Verbot so genannter "Euro 0-" und "Euro 1-Lkw", von dem vor allem die lokale Wirtschaft betroffen wäre, auf die Umweltbelastung auswirken würde.

Die heimische Wirtschaft hofft unterdessen, dass das ihrer Meinung nach "absurde Kapitel der österreichischen Verkehrspolitik" mit dem EuGH-Urteil "Geschichte" ist. Statt "plumper Verbote", wie der Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr, Harald Bollmann erklärte, spricht sich die Wirtschaftskammer für "Anreize" wie zum Beispiel einen Ökobonus bei der Maut und eine Absenkung der Kfz-Steuer für umweltfreundliche Lkw aus, "damit die Betriebe rascher auf schadstoffarme Lkw umsteigen." (APA)