Neue Blicke auf Altes
"Mit den Erfahrungen der neuen Medien werfen wir einen neuen Blick auf die alten Medien." Wer sollte dies besser wissen als Peter Weibel, einer der bedeutendsten, konsequentesten Exponenten jener Bewegung, die seit den 60ern so genannte Medienkunst in Österreich zu einer eigenständigen Sparte machte. Seit dieser Zeit hat sich die gesamte Kunst durch ältere technische Medien wie Fotografie und Film und neuere wie Video und Computer bereits so verändert, dass man Medienkunst nicht mehr nur als Teilaspekt sehen kann.
Peter Weibel veranschaulicht diese Entwicklung in seinem Text "Die postmediale Kondition" mit einem Bild: Die neuen Medien bilden "nicht nur einen neuen Ast am Baum der Kunst, sondern sie haben insgesamt den Baum der Kunst verändert". Der Text ist das geistige Fundament der gleichnamigen Schau, die ab Februar im Medialab Center Madrid gezeigt wird. Neben älteren Ästen dieses Baums namens Kunst kann man hier auch einige junge Blätter betrachten, die in ihrem Chlorophyll die genetischen Codes ihrer Wurzeln tragen.
Ohne das Medium der Bildsprache weiter zu strapazieren, könnte man auch sagen, dass unter den 41 künstlerischen Positionen sowohl große Namen wie Erwin Wurm, Peter Kogler, Gerwald Rockenschaub oder Heimo Zobernig, als auch deren Studierende oder Weiterentwickler ihren Platz in der Geschichte einnehmen.
"Für diese jungen Künstler geht es nicht mehr um die Frage der Anerkennung von Medienkunst, das haben andere in den 60ern erkämpft. Sie bewegen sich ganz selbstverständlich auf diesem Terrain", freut sich Elisabeth Fiedler, die mit Christa Steinle die Schau kuratierte, über die sehr unterschiedlichen Arbeiten der jüngeren Generation. So entwickelte etwa Annja Krautgasser (Jahrgang 1971), die bei Weibel studierte, einen Raum, in dem das Verhalten von Usern im Netz wie durch Kartografie nachgezeichnet wird.
Der virtuelle Raum wurde in ein Zimmer gestellt, in dem der nicht virtuelle Besucher zwischen drei Wänden gleichsam im Netz der Spuren von leuchtenden Mausklicks schwebt. Für die gebürtige Amerikanerin Kerstin von Gabain, Studentin von Franz Graf und Peter Kogler, ist das Schachbrett als Urform der Computerkunst der Anfang dieser Kunstform. Ihre Animation "Modern Talking" ist eine schöne Reflexion in der Endlosschleife, obwohl sie vom Plattencover der gleichnamigen Popgruppe inspiriert wurde.
Mit der unbeabsichtigt unscharfen Ästhetik von Schnappschüssen spielt seit Jahren das Künstlerkollektiv G.R.A.M. In ihrer Serie "Paparazzi" fotografierten sie Promis und gänzlich unbekannte Leute wie Stars.
Avatar mit Gummibaum
Auf die Frage, was der Mensch zum Leben brauche, antwortet die Installation des Innsbrucker Thomas Feuerstein: eine Überwachungskamera und einen Gummibaum. Feuersteins aufblasbare Rettungsinsel aus der Arbeitsserie "Der Künstler als Avatar" hat als Reiseproviant einige Dosen "Biophily", eine Pflanze und einen Monitor an Bord.
Die Insel wird durch eine schräg im Raum stehende Trennwand von der Fotografie einer One-Minute-Sculpture Erwin Wurms abgeschottet. Diese etwas ungewöhnliche Ausstellungsarchitektur des Architekturbüros Plottegg sollte jedem Kunstwerk seinen "ganz eigenen Raum im Raum schaffen", ohne die Arbeiten voneinander zu isolieren, so Fiedler. Tatsächlich entsteht aber der Eindruck von überdimensionierten Beschilderungen, die zum Teil den Blick auf die Arbeiten verstellen, denn auf den Tafeln sind auch die Namen der Künstler angebracht.