Selbstverständlich bleibt die FPÖ Jörg Haiders Partei. Die Bestätigung dieser Tatsache durch seine Nachfolgerin im Amt des Vorsitzenden kam nur für naive Gemüter unerwartet. Denn alle seitens konkurrierender Parteien geäußerte Forderungen, die FPÖ möge sich in ihrem Wesen ändern, scheitern daran, dass eben dieses Wesen das Erfolgsrezept der FPÖ ist.

Eine einigermaßen liberale, in ihren Wortmeldungen zivilisierte FPÖ hatten wir schon: Unter Norbert Steger konnte im Feldversuch ausgetestet werden, wie groß das Wählerpotenzial für eine "gezähmte", sozusagen kultivierte FPÖ ist. Und eineinhalb Jahrzehnte später hat Heide Schmidt mit ihrem Liberalen Forum einen ganz ähnlichen Versuch gestartet. Beide Male war das Ergebnis vernichtend. Währenddessen wurde die FPÖ zur zweitstärksten Kraft im Lande. Da soll sie ihren Kurs ändern?

Blauäugige Opposition

Menschen, die von ihren eigenen politischen Ansichten zutiefst überzeugt sind, können es oft nur schwer verstehen, dass andere Menschen andere Ansichten haben. So ist auch der politische Kampf des so genannten "Anderen Österreich" gegen die FPÖ zutiefst verständlich, blendet aber das Problem aus, dass die moralische Bewertung von politischen Programmen eher eine Sache der Philosophie als der realen Politik ist.

Die reale Politik bewertet vor allem Erfolg oder Misserfolg. Und gerade in der Demokratie gilt der Satz von Clausewitz, dass der Sieg, will heißen der Wahlerfolg, durch nichts ersetzt werden kann. Auch nicht durch die moralische Verurteilung einer Partei seitens ihrer Konkurrenten. Wer beim Versuch, Wähler von der eigenen Politik zu überzeugen, scheitert, kann dieses Scheitern auch durch noch so raffinierte Aktionen nicht mehr ausgleichen.

Daher ist die Frage, ob das "Andere Österreich" in der Lage ist oder wenigstens irgendwann sein wird, wieder Wählerstimmen zu gewinnen, die eigentlich entscheidende. Sie lässt sich aber nur beantworten, wenn man analysiert, wer Nutznießer jener wechselseitigen Umklammerung ist, die sich mittlerweile zwischen der FPÖ und ihren Gegnern gebildet hat.

Fast könnte man es ja als eine glückliche Symbiose bezeichnen, die sich da seit 1986, als Haider die FPÖ übernahm, entwickelt hat. Beide Seiten gewannen an Publizität, damit auch an politischer Bedeutung, und im Lager des "Anderen Österreich" gibt es zahlreiche Gruppen und Vereine, denen ihre Gegnerschaft zu Jörg Haider erst ihre politische Bedeutung und ihren Stellenwert, inklusive Subventionen, gebracht hat. Was die realpolitische Bilanz betrifft, darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die FPÖ von rund fünf Prozent auf rund siebenundzwanzig Prozent gewachsen ist, also jedenfalls nicht verloren hat; das "Andere Österreich" hat zwar einerseits längst fällige Bewusstseinsbildungen gefördert, einen Anstoß für die so genannte Aufarbeitung der Geschichte gegeben und international auf viele Versäumnisse in Österreich aufmerksam gemacht - einen Zugewinn an politischer Stärke brachte sie nicht, wie an den Wahlergebnissen 1986 bis 1999 leicht abzulesen ist.

Segensreicher Boykott

Ganz im Gegenteil: Die internationale Ächtung Waldheims brachte nicht dessen Niederlage, sondern den ersten Wahlerfolg eines nichtsozialistischen Präsidentschaftskandidaten. Und die Ächtung der FPÖ brachte nicht deren Ausgrenzung, sondern die erste schwarz-blaue Regierung. Wobei viel zu selten die Frage gestellt wird, ob nicht die im Zuge der Waldheim-Krise zu machende Erfahrung, dass die internationale Ächtung zwar peinlich, aber mühelos zu überleben ist, die Entscheidungsfindung bei der Regierungsbildung in einem ganz anderen als vom "Anderen Österreich" gewünschten Sinne beeinflusst hat.

Womit wir auch schon beim absoluten Glücksfall für die schwarz-blaue Regierung angelangt wären: der internationalen Isolation Österreichs durch die 14 EU-Staaten. Keine andere Situation nämlich hätte so stabilisierend für diese Regierung wirken können, die zwar eine Mehrheit im Parlament, anfänglich aber durchaus nicht die Herzen der Bürger hinter sich hatte.

Alle Umfragen zeigen, dass sich das binnen weniger Wochen gewandelt hat. Was immer die Regierung offiziell sagt, ihr geheimer Wunsch muss sein, dass die Maßnahmen der EU-Vierzehn und die Solidarität der Opposition mit diesen Maßnahmen möglichst bis zum nächsten Wahltermin andauern mögen. Und da diese Polarisierung der gesamten Regierung nützt, ist der Nutzen auch aufseiten der ÖVP.

Daher kann sie mühelos einer inhaltlich vielleicht sinnlosen, taktisch aber höchst sinnvollen Volksbefragung zustimmen: Die Verantwortung für die Kosten der Volksbefragung könnten den Initiatoren aus der FPÖ zugeschanzt werden, den Stabilisierungseffekt streicht die ÖVP mit ein.

Wie auch immer: Es ist höchste Zeit, dass das "Andere Österreich" die Gefilde der Moralphilosophie verlässt und in die reale Politik zurückkehrt, was bedeutet, dass "Recht haben" nicht genügt, sondern dass Wähler gewonnen werden müssen. Gelingt das nämlich nicht und bleibt das "Andere Österreich" bei seinen bisherigen Strategien, so kann man sich getrost auf dreißig Jahre Schwarz-Blau einstellen.

Rainer Ernst Schütz ist Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler.