Sao Paulo - Eine hohe Luftverschmutzung reduziert möglicherweise die Rate an männlichen Neugeborenen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Jorge Hallak an der Universität von Sao Paulo.

Sie teilten die 17 Millionen Einwohner zählende brasilianische Metropole anhand der Werte von Schadstoffstationen in Regionen mit niedriger, mittlerer und hoher Luftverschmutzung und wiesen dann die Geburten aus den Jahren 2001 bis 2003 den Regionen zu. Dabei fand das Forscherteam, dass in den am wenigsten verschmutzten Regionen 48,3 Prozent Mädchen gezeugt wurden, in den verschmitztesten Gegenden hingegen stieg deren Anteil auf 49,3 Prozent.

Hallak geht davon aus, dass die Luftverschmutzung wie ein Stressfaktor auf die Fortpflanzung wirkt. Andere Studien belegen diese Vermutung: Auch nach Terroranschlägen oder Naturkatastrophen steigt der Anteil weiblicher Nachkommen, während im normalen Durchschnitt immer etwas mehr Buben als Mädchen geboren werden. Durch den Stress würde das Sperma, insbesondere die empfindlicheren Spermien mit dem für männliche Nachkommen wichtigen Y-Chromosom, geschädigt. Bei Versuchen mit Mäusen, in denen Männchen hoher Luftverschmutzung ausgesetzt waren, bekamen die von ihnen begatteten weiblichen, keinen Schadstoffen ausgesetzten Mäuse um 35 Prozent weniger männliche Nachkommen. Auch war die Anzahl der Spermien durch die Schadstoffe geringer. Weiteres fand das Team heraus, dass schwangere Mäuse, die Luftverschmutzung ausgesetzt waren, eine höhere Fehlgeburtenrate aufwiesen.

Kritiker bemängeln, dass nicht untersucht wurde, welche Schadstoffe für das Ungleichgewicht in den Geschlechtern der Neugeborenen verantwortlich sind, so dass nicht ganz sicher sei, dass tatsächlich die Luft der Auslöser ist. Zudem haben nicht alle Umweltschadstoffe den gleichen Effekt. Eine schwedische Studie hat dieses Jahr ergeben, dass zwei Schadstoffe der Organochlorin-Klasse, DDE und CB-153, die vom Menschen hauptsächlich über fetten Fisch aufgenommen werden, die Zahl der Spermien mit Y-Chromosomen erhöht. (grote/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 11. 2005)