Wien - "Mehr Qualität und Vielfalt in der Kinderbetreuung", forderte am Donnerstag der Österreichische Familienbund im Rahmen einer Pressekonferenz. In Österreich gäbe es derzeit zwölf Prozent weniger Sprösslinge als etwa noch vor acht Jahren. Die Zahl der Betreuungsplätze sei hingegen angestiegen: "Offensichtlich fehlt es also nicht an der Quantität sondern an Qualität und Vielfalt", um Anreize zum Kinderkriegen zu schaffen, schlussfolgerte Präsident Otto Gumpinger.

Flexible Öffnungszeiten

Mehr Qualität soll sowohl Eltern als auch Kindern zu Gute kommen. Gumpinger versteht darunter zum Beispiel ein Mehr an Flexibilität bei den Öffnungszeiten bzw. den Bring- und Hol-Zeiten in Kindergärten. "Diese müssen bedarfsgerecht und entsprechend den Arbeitszeiten der Eltern geregelt werden", so die Vorstellung des Familienbundes. Möglich wäre dies zum Beispiel in Kooperation mit Tagesmüttern, die dem Kindergarten in frühen Morgen- oder späten Abendstunden als Aushilfe zur Verfügung stehen.

Kindergarten als Bildungseinrichtung

Auch kleinere Betreuungsgruppen und vor allem engagierte KindergartenpädagogInnen seien die Voraussetzung, meinte Gumpinger. Dass diese Verbesserungen den Kleinen direkt zu Gute kommen, würden Studien eindeutig belegen, betonte Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett: "Ein Kindergarten muss unbedingt auch eine Bildungseinrichtung sein. Studien zeigen, dass Versäumnisse in diesem Alter sich deutlich in den späteren schulischen Leistungen der Kinder niederschlagen." Gumpinger forderte in diesem Zusammenhang Weiterbildungsmaßnahmen sowie die ideelle Aufwertung des Kindergärtner-Berufes.

Vor allem junge Akademikerinnen bekommen heute deutlich weniger Kinder als früher. Auch hier möchte der Familienbund Anreize schaffen und regt beispielsweise an, junge Frauen, die während des Studiums ein Baby bekommen, von der Studiengebühr zu befreien.

Haubner pflichtet bei

Auch Sozialministerin Ursula Haubner (B) ortet einen möglichen Mangel in der Kinderbetreuung nicht in der Quantität der Betreuungseinrichtungen, sondern vielmehr darin, "dass wir nicht die entsprechenden Plätze anbieten. Elternverwaltete und flexible Einrichtungen werden zu wenig gefördert", betonte die Ministerin in einer Aussendung am Donnerstag und schloss sich damit dem Familienbund an.

Zahlreiche Förderungen

Einige Maßnahmen zur Förderung innovativer Kinderbetreuung seien indes bereits gesetzt, so Haubner. 700.000 Euro investiere das Sozialministerium jährlich in die Förderung bedarfsgerechter Betreuungskonzepte für arbeitende und studierende Eltern. Auch das Kinderbetreuungsgeld sei ein wichtiger Baustein, um gerade AkademikerInnen die Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung zu ermöglichen. Im Oktober 2005 profitierten bereits 3.678 SchülerInnen bzw. StudentInnen von dieser Familienleistung, hieß es in der Aussendung.

SPÖ: Mangel an Betreuungsplätzen nicht zu übersehen

Ganz anders lautet die Einschätzung der SPÖ. "Es fehlen in Österreich nach wie vor rund 48.000 Betreuungsplätze gänzlich, weitere 42.000 bieten nur ein ungenügendes Angebot", kritisierte SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl am Donnerstag in einer Aussendung. Statt in dieser Problematik tätig zu werden, beschränke sich die Regierung auf "Kleinreden und Wegrechnen".

Der flächendeckende Ausbau an Betreuungsplätzen und ein Bundesrahmengesetz zur Festlegung von Qualitätsstandards, seien "höchst an der Zeit," forderte Kuntzl. Denn die Bereitstellung von Rahmenbedingungen seien entscheidend, um Beruf und Familie "lebbar" zu machen.

Regierung soll aktiv werden

Ähnlich kritisierte die Familiensprecherin der Grünen das Vorgehen der Regierung. "Ich frage mich, wer die Regierung noch auf die Mängel bei der Kinderbetreuung hinweisen soll, damit endlich etwas geschieht", erinnerte Sabine Mandak in einer Aussendung am Donnerstag auch an den jüngsten Vorstoß der Industrie und der Arbeiterkammer.

Befreiung von Müttern von der Studiengebühr

Interessant findet die Abgeordnete auch Gumpingers Forderung nach einer Befreiung von Müttern von der Studiengebühr. "Er will also eine Schikane abbauen, die seine eigene Regierung eingeführt hat und die wir nach wie vor ablehnen. Dass die Forderung aber nur für Mütter gelten soll zeigt, wie festgefahren das Familienbild bei der ÖVP tatsächlich ist". Denn: Wenn schon eine Abschaffung vorgenommen wird, dann müsse dies auch für Väter gelten. Es sollte klar sein, dass studierende Väter die selben Betreuungsaufgaben bei ihren Kindern übernehmen wie Mütter. (APA)