Foto: Thomas Rottenberg
Foto: Thomas Rottenberg

Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war heute. Da hat ein Poster Nachhaltigkeit eingefordert. Zu recht. Schließlich braucht man für Einmalhinschauen-Und-Vergessen keine Kolumne: das tut eh jeder selbst. Deshalb war ich heute also wieder beim "Orange Café". (Das wurde hier zwischen Sommer 2003 und Jänner 2005 schon öfters dokumentiert.) Weil man die Dinge eben doch nicht ganz aus den Augen verlieren sollte.

Kurz gesagt: Das Lokal, das in jener Zeit, in der ich mit Blick auf sein im Wind (leider nicht) schwingendes Schild wohnte, vermutlich mehr Namen und Besitzer als Gäste hatte, ist noch da: Das Orange Cafe heißt jetzt "Zur Kaminstub´n" und ist – wie könnte es anders sein – gerade frisch neu eröffnet.

Leuchtschild

Und auch sonst ist alles beim Alten: der Türknauf hat noch jene Form, die er nach meiner Zählung (und ich wohne schon gut ein halbes Jahr anderswo, könnte also ein paar Betreiber ausgelassen haben) vom Vorvorvorvorvorwirten bekommen hat. Der hat das Lokal nämlich "Luna" (oder so ähnlich genannt). Auch das Leuchtschild (zwei Besitzer nach dem Luna aufgehängt, damals "Böhm & Sum" – oder vielleicht doch "Ali Baba?") ist noch das Gleiche. Und der Kachelofen ("Das Kamin") steht natürlich auch noch da.

Aber vor allem ist das "Orange Cafe" eines noch immer: leer. Bis auf die Kellnerin. Die steht – auch wie immer – hinter der Bar und fixiert die Tür. Mit einem Blick, der (obwohl es jedes Mal andere Frauen sind, die ich durch die Scheibe gesehen habe) alles andere als einladend ist. Neben ihr und das deutet darauf hin, dass das Lokal wirklich erst vor kurzem aufgesperrt hat, sitzt ein Mann hinter der Theke und liest Zeitung: Der Wirt.

Zyklus

Auch das war an diesem Ort immer – über all die Jahre, die ich das Lokal beobachtet hatte - so: Anfangs wartet der Wirt mit seiner Kellnerin auf Gäste. Kommen die nicht (und sie kommen nie), bleibt irgendwann auch der Wirt aus. Ein paar Wochen später verschwindet die Kellnerin. Und ein paar Monate danach hat das Lokal wieder einen neuen Namen.

Jetzt also "Zur Kaminstub´n". Vielleicht glaubt der neue Pächter ja, mit dem "sächsischen Genetiv" (vulgo "Deppenapostroph") den Fluch, der auf dem Gemäuer lasten muss, brechen zu können, dachte ich (hatte aber so meine Zweifel, ob das funktioniert). Und um ihn das zu fragen, beschloss ich das Lokal zu betreten.

Ein Gast

Ich hatte schon einen Fuß auf der Schwelle zur Eingangstür, als sich ein Mann an mir vorbeidrückte: Ein Gast. Er öffnete die Tür, betrat das Lokal – und machte auf der Stelle wieder kehrt. Wortlos. Als er an mir vorbei wieder aus dem Lokal herauskam, lallte er etwas wie "na aber sicher nicht hier" und ging (leicht schwankend) die Gasse hinunter.

Das war ein Zeichen: Es soll nicht sein. Ich habe es also auch diesmal nicht geschafft, das Orange Café zu betreten. Aber das gehört mittlerweile wohl auch schon zu der Geschichte dieses Ortes dazu.