Christoph Chorgerr: "Es gibt sehr viele, die mit einer gewissen Fassungslosigkeit sagen, sie verstehen nicht, was da passiert. Und ich kann und will es ihnen nicht erklären."

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Nach den jüngsten Personalentscheidungen im Grünen Rathausklub rechnet Christoph Chorherr im Standard-Gespräch mit dem so genannten Fundi-Lager ab: Das sei "eine Niederlage der Politikfähigkeit" gewesen. Er kündigt "grünes Projekt der Erneuerung" an.

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Wien - "Nach den Gesprächen über rot-grüne Projekte startet ein neues Projekt: Die Erneuerung der Wiener Grünen", kündigt der Grünen-Abgeordnete Christoph Chorherr im STANDARD-Gespräch an. Denn die jüngsten internen Wahlen für Stadtsenats- und Ausschussposten seien "kein Kompromiss, sie signalisieren keinen notwendigen Aufbruch - sie sind eine Niederlage für die Politikfähigkeit."

Zur Erinnerung: Das so genannte Fundi-Lager bei den Wiener Grünen hatte nicht nur Monika Vana neben David Ellensohn als zweite Stadträtin erkoren, sondern auch Claudia Smolik als Klub-Vize gewählt und Martin Margulies für die Schlüssel-Ausschüsse Kontrolle und Finanzen als Hauptmitglied nominiert. Sigrid Pilz hatte sich für den Kontrollausschuss beworben - und blitzte ab.

Aus Chorherrs Sicht war dies "eine Niederlage für die Grünen" - denn damit werde ganz und gar nicht "das Image der letzten Monate korrigiert, dass da eine unberechenbare Fundi-Truppe am Werk ist". Chorherr scheut auch nicht davor zurück, interne Vorfälle öffentlich anzuprangern. "Das Schlimme ist, dass Sigrid Pilz von fast allen Kompetenz, oppositionelle Schärfe und Öffentlichkeitswirksamkeit zugebilligt wird.

Trotzdem hatte ein Mandatar erklärt: Weil du in der falschen Seilschaft bist, werde ich alles tun, damit du nichts wirst." Auch sei im Wahlkampf erklärt worden, das Pflegethema habe keine Priorität, weil Pilz nicht in der richtigen "Seilschaft" sei. "Ich nenne das Politikunfähigkeit." Realpolitik bedeute, dass man auch kompromissfähig sein müsse, "sonst sind wir in einer Diktatur oder in einer Sekte".

Chorherr betont, dass es ihm dabei "um die größere Perspektive" gehe: "Wir stehen ein Jahr vor der wohl wichtigsten Wahl in der Grünen Geschichte. Es wird darum gehen, diese Bundesregierung abzulösen und die Grünen so stark zu machen, dass sie erstmals der Republik einen Stempel aufdrücken können. Aber so, wie wir uns in Wien aufstellen, bin ich ausgesprochen skeptisch."

Das in den letzten Monaten entstandene "Bild einer begrenzt politikfähigen Fundi- Truppe" gelte es zu korrigieren. Wobei Chorherr meint, "dass es weniger um Links oder Rechts geht, sondern um Realo und Irrealo". Man könne nicht einfach sagen: "Wie das öffentlich kommentiert wird, ist uns völlig egal. Politik muss auch öffentlich sein."

"Heterogene Truppe"

Falsch sei es aber zu glauben, dass es im Grünen Klub zwei fixe Lager gebe. "Das ist eine viel heterogenere Truppe." Gleichzeitig gilt aber: "Es gibt sehr viele, die mit einer gewissen Fassungslosigkeit sagen, sie verstehen nicht, was da passiert. Und ich kann und will es ihnen nicht erklären."

Es gelte im Klub, in den Bezirken und mit der Bundespartei "einen Erneuerungsprozess einzuleiten". Man müsse "das Bild einer nachhaltigen, innovativen Stadt entwickeln und das geht nicht, indem man mit 22 zu 19 Stimmen Resolutionen beschließt, die dann alle brav runter beten." Chorherr will eine "öffentliche, offene Debatte", "das kann die SPÖ nicht, das sind wir Grünen. Aber da gibt’s gelegentlich Denkverbote."

Ein Beispiel: "Bei Berufen wie der neuen Selbständigkeit kommt man mit der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich - einer Forderung aus dem Industriezeitalter - nicht weiter. Da gibt es keine einfachen Antworten. Das muss man deutlich nachschärfen."

Fest steht für Chorherr: "Mit der Einstellung: ,Ich wähl’ euch jetzt gerade noch einmal‘ kann man keine Bundesregierung abwählen." (DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2005)