Wer am Morgen sein Deo benützt, weiß nicht, welche Chemikalien er unter die Achseln sprüht. Wer dann in die Unterwäsche schlüpft, hat keine Ahnung, mit welchen Substanzen die Kleidung beim Waschen genau in Berührung gekommen ist oder welche Langzeitfolgen die Verwendung eines Farbstoffes eigentlich hat. Wer dann in sein Auto steigt, kann nicht wissen, welche Substanzen in der Luft herumschwirren. Dass in Zukunft jeder Mensch mehr darüber weiß, in welchem Umfeld er sich bewegt, ist der neuen Chemikalienverordnung zu verdanken, die das EU-Parlament am Donnerstag beschlossen hat. Auch wenn die EU-Minister noch Änderungen vornehmen können, so ist doch zu erwarten, dass sich an den Grundzügen nichts Wesentliches mehr ändert.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes hätten die Regelungen zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung noch strenger ausfallen können, aber so ist ein vernünftiger Kompromiss gefunden worden. Immerhin ist auch das Prinzip verankert worden, dass gefährliche Substanzen durch ungefährlichere ersetzt werden müssen, sofern es einen Ersatz gibt. Der Wermutstropfen ist, dass viele Ausnahmen gemacht werden. Aber es müssen sich auch der bürokratische Aufwand und die Kosten in so vernünftigen Grenzen halten, dass kleinere Firmen dadurch nicht in den Ruin getrieben werden.

Dass die richtige Balance gefunden wurde, zeigt sich auch daran, dass so unterschiedliche Interessengruppen wie Greenpeace und die chemische Industrie den Kompromiss prinzipiell begrüßen, aber jeder unterschiedliche Punkte an dem Gesamtpaket kritisiert. Die Chemikalienverordnung ist ein Meilenstein, der zeigt, dass in Europa auch sinnvolle Regelungen beschlossen werden, die jeden Bürger direkt betreffen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2005)