Man möchte allen Beteiligten gern glauben, dass sie die Entschädigungszahlungen für NS-Opfer jetzt so schnell wie möglich über die Bühne bringen wollen. Aber diese Sache ist schon viel zu sehr in die Länge gezogen worden, als dass man den politischen Akteuren nicht immer noch die Absicht unterstellen wollte, das auch weiter zu versuchen.

An die historischen Versäumnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit soll gar nicht erinnert werden, sie sind dankenswerterweise hinreichend dokumentiert und stehen als moralische und politische Peinlichkeit weit gehend außer Diskussion. Positiv anzumerken ist, dass niemandem der jetzigen Politikergeneration unterstellt werden kann, damit einverstanden zu sein, und dass, mit Ausnahme einiger Unverbesserlicher, quer durch die Parteien an einer angemessenen Lösung gearbeitet wurde.

Dennoch will ein schaler Nachgeschmack nicht weichen. Zu lange wurde zugewartet, den wenigen Überlebenden des Naziterrors und ihren Nachkommen wenigstens eine symbolische Geste für das Unrecht zukommen zu lassen, das ihnen angetan worden ist. Von Wiedergutmachung kann und darf keine Rede sein. Aber auch diese Geste kommt so zögerlich, dass ihre Fragwürdigkeit stärker zum Ausdruck kommt als die dahinterliegende gute Absicht. Allein die Summe von 210 Millionen Dollar für rund 19.000 Ansuchen ist wahrlich nicht so üppig, dass man sich ihrer brüsten müsste: Etwas mehr als durchschnittlich 10.000 Dollar für ein zerstörtes Leben sind - abgesehen davon, dass solche Rechnungen nie aufgehen können - ein beschämender Preis. Dazu kommt, dass es noch Jahre dauern wird, alle eingereichten Fälle abzuarbeiten, und damit die Chance schwindet, für so viele noch Lebende wie möglich dieses kümmerliche Zeichen zu setzen. Was bleibt, ist die bittere und banale Erkenntnis, dass Unrecht dieses Ausmaßes mit Geld nicht gutzumachen ist, und das ist für alle zu wenig. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2005)