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Foto: APA/dpa/Oliver Stratmann
Selbst absolute Vollblutpolitiker, denen vor ihrer Pensionierung mehr graut als vor einer Wahl, ziehen sich mit 75 Jahren zurück, schreiben Memoiren oder züchten Rosen. Nicht Christian Schwarz-Schilling, der ehemalige deutsche Postminister. Morgen, Samstag, wird der CDU-Politiker 75 Jahre alt, am 1. Jänner startet er seine dritte Karriere: Der Bosnien-Experte übernimmt vom Briten Paddy Ashdown den Posten des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina.

Davon, dass er für diese Mission bestens geeignet ist, ist Schwarz-Schilling überzeugt. "Diese Aufgabe kann ein älterer Mensch besser leisten als ein junger. Ich habe ein sehr gutes Gefühl", sagt er selbst und meint auch: "Mein großer Schatz ist der Vertrauensvorschuss, den die Bosnier mir entgegenbringen."

Zehn Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton soll sein Engagement die frühere jugoslawische Teilrepublik näher an die EU und die Nato heranführen - Ende des Jahres beginnen die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU. Seine Nominierung wertet Schwarz-Schilling als Zeichen, dass Deutschland bereit ist, Verantwortung auf dem westlichen Balkan zu übernehmen.

Der 1930 in Innsbruck geborene Sohn des Komponisten Reinhard Schwarz-Schilling studierte in München ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaften und Geschichte und machte in Hamburg eine Bankenlehre. Seine erste Berufskarriere führte ihn 1957 als Geschäftsführer einer Akkumulatorenfabrik ins hessische Büdingen. Drei Jahre später trat er in die CDU ein und stieg dort kontinuierlich auf. Landtagsabgeordneter (1966-1976), Bundestagsabgeordneter (1976- 2002), Bundesminister für Post und Telekommunikation (1982-1992) waren die Stationen seiner Laufbahn. Als Postminister bereitete Schwarz-Schilling die Privatisierung des gelben Monopolriesen vor, in seiner Amtszeit wurde auch das Kabelfernsehen eingeführt und das Privatfernsehen zugelassen.

Im Dezember 1992 trat er mit den Worten, er "schäme sich, diesem Kabinett anzugehören", aus Protest gegen die Balkan-Politik der Regierung Kohl zurück. Damals überrannten serbische Soldaten Bosnien und ermordeten zehntausende Menschen, Bonn sah tatenlos zu. Allerdings munkelte man damals, er sei damit bloß seiner Entlassung wegen Verquickung von Ministeramt und privater Geschäfte zuvorgekommen.

Bis zum Ende des Krieges 1995 engagierte er sich als Vermittler auf dem Balkan und war auch an den Dayton-Verhandlungen maßgeblich beteiligt. Danach war er bis Ende 2004 als Streitschlich- ter in Bosnien-Herzegowina unterwegs, um Konflikte auf lokaler Ebene zu lösen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2005)