Wien/Brüssel - Die mit Spannung erwartete Herbstprognose der EU-Kommission geht zwar wie bisher von einer leichten Erholung der Konjunktur im kommenden Jahr aus, die Prognosewerte wurden jedoch im Vergleich zum Frühjahrsgutachten zurückgenommen. Die Brüsseler Behörde hat in ihrer neuen Konjunkturvorschau sowohl die Aussichten für die Eurozone als auch für Österreich nach unten revidiert.

Die zweite schlechte Nachricht ist: Österreichs Volkswirtschaft wird, anders als in den letzten Jahren, 2006 nur mehr im Durchschnitt der Eurozone wachsen, der bisherige Wachstumsvorsprung geht also verloren. Dazu kommt, dass sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit - nach einer Atempause 2006 - "wieder beschleunigen" werde.

Ging die EU-Kommission im Frühjahr noch von einem Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 1,6 Prozent für heuer und 2,1 Prozent für 2006 aus, so erwartet sie jetzt nur mehr 1,3 Prozent für heuer und 1,9 Prozent für 2006. Erst 2007 werde das Wachstum auf 2,1 Prozent anziehen.

Ähnlich in Österreich: Erwartete die Kommission bisher ein Wachstum von je 2,1 Prozent für heuer und 2006, so wurde die Prognose nun auf 1,7 bzw. 1,9 Prozent zurückgenommen. 2007 soll das Wachstum auf 2,2 Prozent anspringen, einen Wert, der im Vorjahr erreicht wurde.

Zur Begründung heißt es: Der erwartete starke Anstieg des Privatkonsums durch die Steuerreform von Anfang 2005 sei nicht eingetreten. "Bis jetzt scheinen die Folgen der steigenden Ölpreise die Auswirkungen der erweiterten Fiskalpolitik aufgehoben zu haben." Und: "Die speziellen Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden wahrscheinlich den steigenden Trend 2006 im Zaum halten, aber sie werden nicht ausreichen, um die Rekordarbeitslosigkeit von ihrem Höchststand zurückzufahren. Wegen der kurzfristigen Natur der Maßnahmen, wird sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit 2007 beschleunigen", schreibt die Kommission.

Wahltaugliches Paket

Die Kommissionsexperten beziehen sich damit auf das von der Bundesregierung beschlossene Beschäftigungspaket, bei dem im Jahr 2006 mit einem Kostenaufwand von 285 Millionen Euro Qualifikationsmaßnahmen für 60.000 Arbeitslose finanziert werden.

Auch Wifo-Konjunkturexperte Ewald Walterskirchen sagte zum STANDARD: "Wenn die Regierung rund ein Drittel mehr Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stellt, sollte es schon gelingen, den Anstieg der Arbeitslosigkeit 2006 zu stoppen oder die Arbeitslosigkeit sogar leicht zu senken. Es steht aber zu befürchten, dass die Arbeitslosigkeit 2007 wieder steigt, vor allem wenn diese Mittel nicht weiter gewährt werden."

Dafür ist der Wifo-Ökonom, was den internationalen Vergleich betrifft, optimistischer als Brüssel: "Wir sehen schon ein paar Zehntel Wachstumsvorsprung gegenüber der Eurozone. Einerseits wirkt die Steuerreform noch nach, der private Konsum reagiert etwas zeitverzögert. Außerdem bringen die diversen Maßnahmen der Bundesregierung rund 0,3 Prozent für das BIP."

Deutsche am Pranger

Was Deutschland anbelangt, wird die EU-Kommission das Defizitverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung im Dezember wieder aufnehmen. Nach der am Donnerstag veröffentlichten Herbstprognose wird Deutschland heuer ein Haushaltsdefizit von 3,9 Prozent erreichen. Deutschlands Wirtschaft werde gegenüber dem schwachen Wert von 0,8 Prozent in diesem Jahr im nächsten Jahr um 1,2 Prozent und 2007 um 1,6 Prozent wachsen. Im Frühjahr ging die EU von einem Wachstum von 1,6 Prozent für 2006 aus. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2005)