Wien - "Er sieht sein Auto als Gewaltmittel an", behauptet der Staatsanwalt. Aber nein, überhaupt nicht, widerspricht der wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung angeklagte Vermögensverwalter. Er wollte einer auf ihn zukommenden heiklen Situation nur dahingehend ausweichen, dass er beschloss, sie hinter sich zu lassen. "Ich hab mich entschieden, dass ich wegfahre, was eine Fehlentscheidung war", sagt er. Denn da stand wer im Weg.

Der unbescholtene Diplomkaufmann mit der Tendenz zu Alkohol im Blut und locker sitzendem Führerschein (viermal wurde derselbe bereits abgenommen), fuhr auf dem Wiener Gürtel in seinem Jaguar einem herkömmlichen Pkw knappestmöglich hinterher - und schließlich hintendrauf. Bei der Schadensbesichtigung kam der Mann dem jungen Lenker und seiner Freundin eher seltsam als nüchtern vor. Sie verständigten die Polizei.

Daraufhin setzte sich der Jaguarfahrer in sein Auto und startete. Warum? - "Plötzlich waren jede Menge Leute da, und die aufflammende Diskussion hat mir nicht gefallen", erklärt er. Außerdem war er müde, hungrig und grantig. Ein Unfallzeuge blieb aber hartnäckig und stellte sich dem Jaguar in den Weg.

"Mein Mandant schätzt an sich Zivilcourage", verrät sein Verteidiger. - Aber bitte zum richtigen Zeitpunkt. Mit dem Helden vor seiner Motorhaube konnte er nichts anfangen. - Er fuhr ihn nieder. Oder, schöner: "Ich wollte ihn zum Weggehen veranlassen, indem ich aufs Gas gestiegen bin." De facto ist er über seinen Fuß gefahren, hat die Schreie rundum ignoriert, hat die Fahrt fortgesetzt, hat wohl nicht bemerkt, dass der Passant unter das Auto geraten ist, hat ihn 50 Meter mitgeschleift, ehe ihn eine Kurve abwarf. Der mutige Mann, ein Obdachloser, überlebte mit zahlreichen Brüchen und schweren Kopfverletzungen. Wenigstens kriegt er jetzt 7500 Euro. Der Jaguarfahrer wird zu 20 Monaten Haft verurteilt, vier davon unbedingt. (Daniel Glattauer, DER STANDARD - Printausgabe, 19./20. November 2005)