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Hans Rauscher macht sich in seinem Kommentar vom 15. 11. darüber Sorgen, dass die SPÖ die Reichen belasten möchte.

Tatsache ist: Die SPÖ spricht sich klar gegen die Einführung von neuen Steuern aus. Wir haben in Österreich schon genug Steuern und Steuerarten. Daher wird es mit uns auch keine "Reichensteuer" geben. Dafür müssen wir schleunigst den fleißigen Mittelstand entlasten. Da war und ist die Regierung Schüssel bis heute säumig.

Für weitere Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung fehlt allerdings das Geld. Um dieses Ziel zu erfüllen, müssen wir zu Recht darüber diskutieren, wo es für eine kleine Gruppe Privilegien gibt. Solche Privilegien gibt es unter anderem dort, wo Menschen mit hohem Einkommen nicht im selben Ausmaß zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen wie der breite Mittelstand.

Österreich ist mit einer extremen Schieflage in der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben und des Sozialsystems konfrontiert. Mit der Steuerreform haben Schüssel und Grasser diese Schieflage noch verschärft.

Soziale "Schieflage"

Faktum ist, dass nur zwei Gruppen von der Steuerentlastung profitieren: einerseits die Großkonzerne durch die Senkung der Körperschaftssteuer und dank des Privilegs der Gruppenbesteuerung; andererseits die Großaktionäre, die nämlich gar keine Steuern zahlen (bei Gesellschaften oder Stiftungen) oder (bei Einzelpersonen) nur noch 43 statt 50 Prozent.

Der Mittelstand zwischen 2000 und 6000 Euro trägt heute die gesamte Last der Steuern und Abgaben. Denn, wie Herr Rauscher in seinem Kommentar richtig schreibt, zahlen Einkommensbezieher/innen unter 2000 Euro wenig bis gar keine Steuer und Menschen mit Einkommen über 6000 Euro tragen auch immer weniger bei.

Die tatsächliche Spitzenbelastung in Österreich liegt heute bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 4.000 Euro. Dort beträgt die Belastung des Arbeitseinkommen mit Steuern und Abgaben nach internationaler Definition von OECD und EUROSTAT fast 70 Prozent (Dienstnehmer- und Dienstgeber-Abgaben). Der Generaldirektor mit Millionen-Gage zahlt hingegen schon spürbar weniger.

Da sind es nämlich nur noch knapp 50 Prozent. Der Großaktionär zahlt noch weniger, nämlich 25 Prozent (selbst unter Einrechnung der KöSt der Gesellschaft sind es nur 43 Prozent). Der Spekulant zahlt sogar gar nichts mehr.

Diese Schieflage bei den Steuern und Abgaben will die SPÖ in einer umfassenden Steuerreform beseitigen. Dazu werden die großen Konzerne in Zukunft ehrliche 25 Prozent Körperschaftssteuer zahlen. Und sie werden sich von Steuersubventionen Marke Grasser für ausländische Verlustbetriebe wehmütig verabschieden müssen.

Und diejenigen, die ein Vielfaches der oben genannten Mittelstand-Einkommen verdienen, müssen damit rechnen, etwas mehr zu zahlen. Damit können wir den Mittelstand und den Faktor Arbeit entscheidend entlasten. Zu dieser umfassenden Steuerreform war die Regierung bisher weder bereit noch in der Lage.

Mit ihrer einseitigen Politik zugunsten internationaler Konzerne und reicher Privatiers sind Schüssel und Grasser auch ungeeignet, die tatsächlichen Probleme im Steuersystem anzugehen. Die Entlastung des Mittelstandes und der Kleinsteinkommen ist oberste Priorität der SPÖ.

"Fast unappetitlich"

Kleiner Nachsatz für Herrn Rauscher: Weniger als 10 Prozent der österreichischen Bevölkerung verdienen mehr als 4.500 Euro brutto monatlich. Darunter die Mehrzahl aller Bundespolitiker. Daher ist es fast schon unappetitlich, wenn deutliche Profiteure einer Senkung des Spitzensteuersatzes, wie etwa die Herren Bartenstein und Molterer oder der Präsident der Wirtschaftstreuhänder-Kammer Brogyanyi vehement eine Entlastung für sich persönlich und ihresgleichen fordern.

Die Finanzierung des Gesundheitssystems ist eine ganz andere Sache. Die ÖVP-Regierung es bisher verabsäumt hat, dringend notwendige Strukturreformen im Gesundheitswesen anzugehen, ist es heute völlig offen, ob zusätzliche Mittel für die Finanzierung notwendig sind.

Klar ist aber, dass die SPÖ die großartige Gesundheitsversorgung für alle - unabhängig vom Einkommen - erhalten will. Österreich gibt seit Jahren unverändert 7,5 Prozent des BIP für das Gesundheitssystem aus. Die Finanzierungslöcher sind entstanden, weil die Bemessungsgrundlage für die Beiträge zurückgegangen ist.

STANDARD-Redakteur Michael Moravec schreibt am 15. 11., warum das so ist: Die Unternehmenssteuern der großen Konzerne sind von einem Drittel auf 8 Prozent des gesamten Steueraufkommens gesunken. Bevor Ambulanzgebühren, Erhöhung der Rezeptgebühren, sonstige Selbstbehalte oder etwa eine Kopfprämie a la CDU eingeführt werden, ist es allemal sinnvoller, die Beitragsgrundlage für die Krankenversicherung zu verbreitern und anzuheben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20..11.2005)