Wien - Ein Unglück kommt selten allein: Zur ungeklärten Personalfrage an der Spitze seiner Bank, kommt beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) eine überaus schwierige Finanzlage. 2004 hat der ÖGB, der laut Vereinsgesetz eine handelsrechtliche Bilanz erstellen muss, nur dank einer Sonderdividende seiner Bank Bawag P.S.K. in Höhe von 70 Millionen Euro ausgeglichen bilanziert.

Der operati- ve Bereich - im Wesentlichen die Einnahmen aus den Beiträgen seiner 1,457.933 Mitglieder - soll ein Finanzloch von 43,3 Millionen Euro ausweisen, das nur durch Kapitalerträge geschlossen werden konnte.

Eine Sonderdividende dürfte nach dem 425-Millionen-Euro-Debakel der Bawag aus den Refco-Krediten zur Abdeckung des Finanzlochs künftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Ebenso wenig aus den Mitgliedsbeiträgen, denn die sind seit Jahren rückläufig: Im Jahr der Konsum-Pleite 1995 zählte der ÖGB noch gut 1,9 Millionen Einzahler.

"Fluktuationen am Arbeitsmarkt"

ÖGB-Finanz- und Bawag-Aufsichtsratschef Günter Weniger führt den Schwund insbesondere auf die "großen Fluktuationen am Arbeitsmarkt und den Jobabbau" zurück, sie hätten den hohen operativen Verlust mitverursacht. Er glaube aber, dass man dies in absehbarer Zeit wieder auffangen könne. Wie, sagte er freilich nicht.

Laut Format hat der ÖGB aber nicht nur ein Einnahmen-, sondern auch ein Kostenproblem: So sollen speziell die Rückstellungen für Pensionen "enorm gestiegen" sein, schreibt Ex-Sozialministerin Lore Hostasch, die Prüferin der "Zentralen Kontrollkommission" und maßgebliche Autorin des Berichts, der dem hundertköpfigen ÖGB-Vorstand vor einigen Tagen auszugsweise vorgelegt worden war.

189,3 Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen

Demnach reduzierten sich die Mitgliedsbeiträge gegenüber 2003 um 1,1 Mio. Euro auf 189,3 Mio. Euro. Hauptproblem sind die von 188,2 auf 217,2 Mio. Euro gestiegenen Pensionsrückstellungen und die von 2,3 auf 5,6 Mio. Euro verdoppelten Aufwendungen für Abfertigungen. Die Gesamterträge des Arbeitnehmervereines beziffern Insider mit 265,7 Mio. Euro.

Angesichts immer wieder notwendig werdender Verkäufe von Immobilien und Beteiligungen seien über die bereits durchgeführten Maßnahmen zur Kostendämpfung "weitere Schritte unverzichtbar, um ein Leben von der Substanz zu vermeiden". (red, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.11.2005)