Wenn Ausbildungslehrerin Karin Kolar in der Adalbert-Stifter-Übungsvolksschule der Pädak der Diözese Linz unterrichtet, gehört die erste Reihe den Kindern und die zweite angehenden Junglehrerinnen, die schauen, wie man's richtig macht.

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Karin Kolar (36) ist Ausbildungslehrerin "aus Berufung" an der Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz. Regelmäßig "verleiht" sie ihre Klasse und beobachtet den aufgeregten Pädagogen-Nachwuchs aus der zweiten Reihe.

". . . Smeeetmaana Bedrrr . . ." Paul ist sichtlich bemüht, den fremd klingenden Namen auf dem Schild zu entziffern. "Bedrich Smetana", beendet Volksschullehrerin Karin Kolar kurz darauf den engagierten Versuch des Zweitklasslers, die Tücken der tschechischen Sprache zu überwinden. An der Adalbert-Stifter-Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz wird dieser Schultag musikalisch eröffnet.

Für ihre einleitenden Worte "Liebe Kinder, heute hören wir einen Fluss", erntet die 36-jährige Lehrerin zwar fürs Erste eher ratlose Kindergesichter, doch hinter den kleinen Schulbänken scheint man dennoch zu ahnen: "Heute wird es spannend."

Ein Fluss zum Hören

Sekunden später ist der Frontalunterricht zumindest für diese Stunde Geschichte, die Kinder dürfen einen Sitzkreis rund um eine auf Zeichenpapier improvisierte Moldau im hinteren Teil des Klassenzimmers bilden. Mit dem spontanen Platzwechsel steigt die Aufregung und damit der Lärmpegel. Ein sanfter Gong-Schlag auf ein Xylofon am Lehrerpult samt einem lieblichen, wenn auch bestimmten ". . . und der Mund ist jetzt zu, sonst bekomm ich Kopfweh . . ." schafft wieder Ruhe. Der Gong ersetzt an der Übungsvolksschule auch das Pausenläuten, denn mit Schulglocken hat Karin Kolar so ihre Probleme: "Das Schrillen ist furchtbar. Wir setzen unsere Pausen ganz individuell - wenn die Kinder gerade Spaß am Zeichnen haben, läutet es halt später."

Smetana hätte an diesem Morgen seine Freude gehabt: Aus dem Kofferradio am Katheder ertönt die Moldau, am Boden folgen 24 begeisterte Kinder auf erstaunliche Weise ihrer Lehrerin auf eine halbstündige Musikreise.

Weniger entspannt wirkt jener Teil der Klasse, der den Altersdurchschnitt der Volksschule an diesem Morgen deutlich anhebt. Zwölf Pädak-Studentinnen stehen vor ihrer pädagogischen Feuertaufe. Gebannt verfolgen die angehenden Lehrerinnen jeden Handgriff, jedes Wort, jede Gestik von Karin Kolar. Mitgeschrieben wird beinahe, bis der Kugelschreiber glüht. "Für die jungen Studentinnen ist dieses Beobachten ganz wichtig. Ich biete ihnen in meiner Klasse stets an, eine Stunde zuzuschauen, eine zweite dann zu gestalten", erzählt Vorzeigelehrerin Kolar.

Vorzeigelehrerin

Die Mutter zweier "leider derzeit pubertierender" Söhne sieht es durchaus positiv, dass sie in ihrem Unterricht regelmäßig unter Beobachtung steht. "Das Feedback der Studentinnen ist mir sehr wichtig. Manchmal kommt man so auf Dinge drauf, die einem im Unterricht selbst nicht mehr auffallen", schildert Kolar. Seit mittlerweile neun Jahren findet sie es "wunderschön", mit Kindern zu arbeiten. Ihrer Verantwortung als Lehrerin für Lehrende ist sich Kolar voll und ganz bewusst: "Ich persönlich möchte, dass aus meiner Klasse 24 selbstbewusste, kreative, denkende, kritische und vor allem motivierte, kleine Menschen ins weitere Leben entlassen werden. Es gilt im Unterricht die einzelnen Persönlichkeiten mit ihren Sogen, Problemen, Ängsten, Erfahrungen und Interessen ernst zu nehmen. Das möchte ich auch meinen Studentinnen vermitteln."

Dass diese kleinen Persönlichkeiten mitunter schon sehr ausgeprägt sind, müssen auch die drei Lehrerinnen in spe an diesem Vormittag erfahren. Das erste Mal an der Tafel als Mathematiklehrerin ist eine enorme Herausforderung. Da gilt es plötzlich mit einem feuerroten Gesicht, das die Nervosität verräterisch nach außen trägt, fertig zu werden, den sonst so geliebten Dialekt gegen die deutsche Schriftsprache zu tauschen und so nebenbei einen Klassenaufstand abzuwenden.

24-Stunden-Job

"Ich kann dieses Gefühl gut nachvollziehen. Meine erste Stunde war der blanke Horror. Ich war furchtbar nervös", blickt Kolar mitfühlend aus der zweiten Reihe auf den Pädagogennachwuchs. Volksschullehrerin zu sein sei ein 24-Stunden-Job, sagt Kolar. "Man ist mit dem Kopf eigentlich dauernd im Dienst: Beim Einkaufen denkt man sich, vielleicht kann man dies oder jenes zum Basteln brauchen, mit Lehrer-Freundinnen spricht man über die jeweilige Schule, daheim bereitet man den Unterricht vor", erzählt Kolar. Und genau das müsse man mögen: "Lehrer sein ist eine Berufung, dessen muss sich auch der Pädak-Nachwuchs bewusst sein."

Leherin über Umwege

Die pädagogischen Rufe ereilten Karin Kolar dennoch erst über Umwege: "Ich wollte zwar immer Volksschullehrerin werden, doch kamen mir vorerst meine Kinder dazwischen. Die Schulerfahrungen mit meinen Söhnen haben mich letztlich aber noch bestärkt, die Pädak zu machen. Ich wollte beweisen, dass es auch anders geht."

Angehende Lehrerinnen müssten sich auf ihrem Schulweg stets ein Ziel vor Augen halten: "Neben dem Lehrplan gilt es vor allem die Freude am Lernen zu erhalten. Die Kinder müssen erfahren, dass Dazulernen etwas Schönes ist. Frustration hat im Klassenzimmer nichts verloren."

Lernen von Winnetou

Die Nerven hat die diplomierte Ausbildungslehrerin noch nie verloren. "Ich bin keine Schreilehrerin." Man glaubt es der ruhig und ausgeglichen wirkenden Pädagogin aufs Wort. Probleme in der Klasse werden in der "Indianersitzung" gelöst. Nach guter, alter Winnetou-Manier sitzen alle im Kreis und sprechen mögliche Krisen an. Da eine Friedenspfeife wohl den Landesschulrat auf den Plan rufen würde, reicht man sich an der Stifter-Volksschule zur Versöhnung einen Federkiel. (DER STANDARD, Printausgabe, Markus Rohrhofer, 21.11.2005)