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Standbild aus dem RAI-Video: Leuchtgranaten über Falluja

Foto: Reuters

Bereits während des Angriffs auf die irakische Rebellenhochburg Falluja wurden Vorwürfe laut, dass die US-Armee Phosphor-Granaten gegen Aufständische einsetze. Spitäler berichteten, dass Verwundete mit schweren Brandverletzungen eingeliefert worden seien (derStandard.at berichtete). Das Dementi folgte umgehend: Phoshor werde nur "sehr sparsam" eingesetzt, um feindliche Positionen auszuleuchten. Den Einsatz gegen Menschen schloss das Statement des US-Außenministeriums kategorisch aus.

Doch die Gerüchte wollten nicht verstummen: Eine Dokumentation des italienischen Fernsehens zeigte Bilder verbrannter Leichen und ein Interview mit dem US-Soldaten Jeff Englehart, der den Einsatz der umstrittenen Waffe beschrieb. Er gab an, dass die Soldaten über Funk auf den bevorstehenden Einsatz von "Willy Pete" (Weißer Phospor – "WP" – im Militärjargon) hingewiesen worden seien und erzählte, er habe verbrannte Kinderleichen gesehen. Auch das US-"Field Artillery magazine" lobt in seiner Ausgabe "The Fight for Falluja" (März/April 2005) die Phosphormunition als "effizient und vielseitig".

"... auch als Brandwaffe"

Am 16. November räumte Pentagon-Sprecher Barry Venable schließlich ein, dass die umstrittene Waffe auch gegen menschliche Ziele eingesetzt wurde: "Weißer Phospor ist eine konventionelle Munition, keine chemische Waffe. Wir benutzen es in erster Linie als Verdunkler, für Rauchvorhänge oder zur Markierung von Zielen. Es ist aber auch als Brandwaffe gegen feindliche Kämpfer eingesetzt worden", fügte er hinzu.

Weißer Phosphor sei nützlich, um Aufständische aus Positionen zu vertreiben, die nicht mit normaler Artillerie erreicht werden können. Der Fachbegriff lautet 'Shake and bake'- Schütteln und Backen: mit Phosphor werden die feindlichen Kämpfer aus ihren Stellungen getrieben und dann mit normaler Artilleriemunition getötet.

Noch am Tag zuvor hatte der US-Botschafter in Großbritannien, Robert Tuttle, in einem von der britischen Zeitung "The Independent" veröffentlichten Brief geschrieben, "US-Streitkräfte setzen Napalm oder Weißen Phosphor nicht als Waffen ein".

Parlamentswahlen im Dezember

Mittlerweile ist man um Schadensbegrenzung bemüht: Einen Monat vor den Parlamentswahlen im Irak kommen Berichte über die Entdeckung geheimer Foltergefängnisse oder den Einsatz völkerrechtlich umstrittener Waffen verständlicherweise ungelegen.

"Der Bericht stellt das US-Militär ohne Faktengrundlage als unglaubwürdig dar" zitiert die New York Times den Waffenexperten John E. Pike. Der Betreiber der Branchenwebsite globalsecurity.org wirft den Behörden vor, "dumm und unkorrekt" gehandelt zu haben und dadurch unbegründeten Verdächtigungen Vorschub geleistet zu haben.

"Die Nachricht, die rund um die Welt vermittelt wurde, ist, dass die Amerikaner wieder ihre alten Tricks spielen: Sie begehen Grausamkeiten und lügen dann darüber", wird Pike zitiert, "und das ist völlig falsch".

Der Chefredakteur der in Großbritannien erscheinenden Zeitung al-Quds al-Arabi, Abdel-Bari Atwan, sieht das anders: "Saddams Regime gab nie vor, demokratisch zu sein oder sich besonders um Menschenrechte zu kümmern Aber die Amerikaner sollen doch die Führer der freien Welt sein," sagte er zu Reuters, "wie können sie ihren Leuten in die Augen sehen? Sie sollten sich schämen."

Großbritannien

Und auch Tony Blair dürfte die Debatte nicht erspart bleiben: Der Telegraph berichtet, Colonel Tim Collins habe britische Soldaten in der Anwendung von Phosphorgranaten gegen feindliche Truppen unterwiesen. Erst letzte Woche hatte der britische Verteidigungsminister John Reid betont, in seiner Armee werde die umstrittene Waffe ausschließlich zur Beleuchtung eingesetzt. Großbritannien hat im Gegensatz zu den USA die Konvention zum Einsatz Konventioneller Waffen von 1980 unterzeichnet. (bed)