Semmering - Im Ausblick auf eine neue Rekordarbeitslosigkeit im heurigen Winter hat der ÖGB am Montag vom Bund ein mehr als 2 Milliarden Euro schweres Paket zur Senkung der Lohnsteuer und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl verlangte dagegen einen "Europäischen Masterplan für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung" und die Gründung einer globalen Sozialpartnerschaft "E-8" in Anlehnung an die G-8-Staaten. Und die Industriellenvereinigung (IV) nützte die Gelegenheit, um eine Flexibilisierung der Kollektivvertrags-Ergebnisse zu verlangen.

Der leitende Sekretär des ÖGB, Richard Leutner, bezeichnete den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich auf 400.000 Betroffene im Jänner oder Februar als "nicht abstrus". Der ansteigende Trend gehe über alle Branchen hinweg, sagte Leutner bei einer Tagung des Verbands für Öffentlichen Wirtschaft (VÖWG) am Semmering.

Eine Mrd. Euro solle die Regierung daher sofort in den weiteren Ausbau der Infrastruktur investieren. Eine weitere Milliarde solle im Rahmen einer neuerlichen Steuerreform in die Senkung der Lohnsteuer bzw. in die Entlastung der mittleren Einkommen fließen. Zusätzlich notwendig seien auch die von der Regierung bereits beschlossenen rund 285 Mio. Euro zur Förderung von Umschulungen und weitere Investitionen in die Schaffung neuer Kinderbetreuungsplätze.

Rücknahme der Gruppenbesteuerung

Finanziert werden soll das nach Vorstellung des ÖGB-Sekretärs etwa durch eine Rücknahme der Gruppenbesteuerung in der nächsten Regierung, zumal die Gruppenbesteuerung seiner Ansicht nach "keinen besonderen Beschäftigungseffekt gebracht hat". Außerdem habe der Finanzminister über die Mineralölsteuer ohnehin höhere Einnahmen. Und durch die Reformen würden immerhin 30.000 neue Jobs geschaffen, was dem Finanzminister auch mehr Einnahmen brächte. Denn: Eine 1 Prozent höhere Arbeitslosenquote bringe dem Finanzminister mehr als 1 Mrd. Euro weniger Steuern, so die ÖGB-Rechnung.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl setzte am Semmering dagegen auf einen "Europäischen Masterplan". Gelinge es der EU dadurch, über die nächsten Jahre 3 Prozent jährliches Wirtschaftswachstum zu sichern, würden zumindest ein Prozent mehr Jobs geschaffen, was über ganz Europa verteilt zehn Millionen neue Arbeitsplätze bedeuten würde, so Leitl.

Europa im Schlussbereich aller Kontinente

Im Vorjahr lag Europa jedoch mit einer Wirtschaftswachstumsrate von 2 Prozent "im Schlussbereich aller Kontinente", die im Durchschnitt um 5 Prozent gewachsen sind. Hauptproblem laut Leitl: Die nationale Politik sei "an der Grenze der Ohnmacht angelangt". Die Nationalökonomie im klassischen Sinne gebe es längst nicht mehr, sie sei der kontinentalen und globalen Wirtschaft gewichen. Die Politik sei jedoch nicht gefolgt.

Leitl, auch Präsident der Europäischen Wirtschaftskammern, verlangt nun die Bildung eines globalen Sozialpartnermodells - einer "E-8" als soziales Gegenstück zur politischen Ländervereinigung "G-8" und zur reinen Welthandelsorganisation WTO. Diese "E-8" sollten die Handels- und Zollvereinbarungen um Mindeststandards im Bereich Beschäftigung und Umwelt ergänzen und damit eine Möglichkeit schaffen, "dem Turbokapitalismus Rahmenbedingungen zu setzen", so der Kammerpräsident.

Weitere Flexibilisierung

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, wiederum plädiert für eine weitere Flexibilisierung am österreichischen Arbeitsmarkt. Der Sicherung des "Kerns des Lebensmodells" sei entscheidend, um auch die Binnennachfrage und damit weiteres Wachstum zu garantieren. "Um diesen Kern zu erhalten", müsse man jedoch "an den Rändern flexibel sein", meinte Beyrer.

Konkret sprach er sich etwa für eine Flexibilisierung bei den Lohnabschlüssen aus. Der heurige Abschluss in der Metallindustrie bei 3,1 Prozent zeige, dass man über eine "Öffnungsklausel für einzelne Betriebe" diskutieren müsse. Für einige Industrieunternehmen sei dieser Abschluss zu hoch gewesen.

Außerdem setzte sich Beyrer einmal mehr für eine neue EU-Dienstleistungsrichtlinie ein. Diese bringe auch in Österreich eine "große Dynamik für Wirtschaft und Beschäftigungswachstum". Befürchtetes Sozialdumping müsse man aber verhindern.(APA)