Plassnik appellierte an die Verantwortung der EU-Staaten. "Wir sind immer dafür eingetreten, möglichst bald eine Einigung zu haben." Politischer Wille sei nunmehr gefragt, auch von der britischen EU-Präsidentschaft. "Die Probleme werden nicht kleiner", mahnte Plassnik. Dem Vernehmen nach äußerten zahlreiche Delegationen beim Außenministertreffen am heutigen Montag vehemente Kritik am britischen EU-Vorsitz, der erst kurz vor einem Sondertreffen am 7. Dezember Zahlen auf den Tisch legen will. So habe der belgische Außenminister Karel de Gucht erklärt, man habe bisher nur Zeit verschwendet, teilten Diplomaten mit. Sein finnischer Kollege Erkki Tuomioja weigerte sich den Angaben zufolge am Montag, erneut zum Finanzstreit Stellung zu beziehen, da es nicht Neues zu sagen gebe. Dafür habe ihm Straw ironisch sogar einen Orden für die kürzeste Rede in Aussicht gestellt hieß es. Der italienische Außenminister Gianfranco Fini erklärte, seine Regierung werde keinen Cent mehr beitragen als in dem Luxemburger Vorschlag vorgesehen war. Die Einigung über das EU-Finanzierungspaket für 2007 bis 2013 müsse für die nachfolgende österreichische EU-Ratspräsidentschaft "oberste Priorität" haben, sollte eine Einigung im Dezember nicht gelingen, mahnte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner gegenüber österreichischen Journalisten ein. Keine Krisenszenarien besprochen
Wirtschaft
Druck auf Blair steigt im EU-Budgetstreit
EU-Kommission und Mitgliedstaaten erhöhen im Streit um die milliardenschwere Finanzierung der Europäischen Union den Druck
Wien - "Die Uhr tickt", sagte der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel
Barroso. "Der Schlüssel liegt nun in den Händen der britischen
Ratspräsidentschaft." Auch Außenministerin Ursula Plassnik sagte am
Montag nach einem Treffen zwischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit Barroso am Vorabend: "Die Zeit drängt."
Mit Schüssel habe Barroso "ein reguläres Arbeitstreffen" gehabt,
sagte Johannes Laitenberger, der neue Sprecher des
Kommissionspräsidenten. "Es gibt nichts besonderes zu erklären zu
diesem Treffen." Barroso sei auch schon mit Blair zu einem Treffen
zusammengekommen, fügte er hinzu. Derartige Aussprachen seien
"unabdingbar für das Funktionieren der EU". Jegliche Lösung im
EU-Finanzstreit müsse auch mit der Kommission und dem Europaparlament
akkordiert sein.
Politischer Wille gefragt
Mit Schüssel seien aber "noch keine Krisenszenarien besprochen"
worden, erklärte die Kommissarin nach einem Treffen mit dem
Bundeskanzler am Montagvormittag. Zu den Chancen einer Einigung im
Dezember sagte sie: "Es ist total offen." Die Hoffnung und der Wille
"sind da, dass die Briten es schaffen werden". Garantien, dass
allenfalls unter österreichischem EU-Vorsitz eine Einigung gelinge,
gebe es aber auch keine.
Ferrero-Waldner betonte, jegliche inhaltliche Lösung in dem
Finanzstreit könne nicht nur darauf hinauslaufen, dass der britische
Budgetrabatt gegen eine Neuregelung zur EU-Agrarpolitik abgetauscht
werde. Sie bekräftigte die Forderung nach einer Erhöhung der Ausgaben
für die EU-Außenpolitik. Der luxemburgische Kompromissvorschlag vom
Juni sei diesbezüglich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Weitere Schwerpunkte des Gesprächs mit Schüssel seien die Europäische
Nachbarschaftspolitik, die Vorbereitung der Wahlen im Irak, der
Atomkonflikt mit dem Iran und der EU-Lateinamerika-Gipfel im Mai
gewesen, sagte Ferrero-Waldner. Diese Themen würden alle die
österreichische EU-Ratspräsidentschaft beschäftigen.
Schüssel kam am Montag auch zu einem Treffen mit dem für
Wettbewerbsfragen und Industrie zuständigen Vizechef der Kommission,
Günter Verheugen, zusammen. Im Vordergrund des Gesprächs stand die
Vorbereitung des Brüsseler EU-Gipfels im März unter österreichischer
Präsidentschaft. Dieser soll schwerpunktmäßig eine umfassende
Bewertung der "Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung", der so
genannten Lissabon-Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit,
Europas bringen, wenn er nicht vom Streit über die Finanzen dominiert
wird. Im Jänner will die EU-Kommission die entsprechenden
Aktionspläne der EU-Staaten für Wirtschafts- und Sozialreformen
bewerten. Im März soll die weitere Strategie beschlossen werden.
Weitere mit Verheugen diskutierte Schwerpunkte waren die
Entbürokratisierungs-Initiative der EU-Kommission sowie die
Folgediskussion zu Forschung und Entwicklung, der
Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten und der Energiepolitik, die im
März unter Österreichs Vorsitz neu bewertet werden sollen. Schüssel
traf darüber hinaus am Vormittag auch mit EU-Regionalkommissarin
Danuta Hübner zusammen. (APA)