Dass Lehrer auf ihre guten Schüler stolz sind, ist nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist der Stolz, mit dem der Schüler Philipp Sengstschmid über seine Lehrer spricht – über Tadeusz Krzeszowiak zum Beispiel, seinen Professor für Lichttechnik. Der ist unter anderem Autor zweier Bücher über das Theater an der Wien (Böhlau Verlag), hat Lampen für Darmspiegelungen erfunden, war zuständig für die Lichtregie bei einem Dutzend Opern- und Musicalproduktionen und bekommt demnächst einen Orden vom Bundespräsidenten.

Und seine Schüler feiern mit. Sie empfinden es als Auszeichnung, bei einem Experten dieses Ranges studieren zu können.

Und entsprechend ist der Andrang in der HTL Wiener Neustadt: 550 Bewerber gibt es jedes Jahr für die 300 Plätze. Philipp hat sich beworben, weil ihm bei einem Tag der offenen Tür aufgefallen ist, dass im Lehrplan acht Wochenstunden Werkstattunterricht vorgesehen sind, "das hat mir als Erstes getaugt".

Daher wechselte er mit 14 vom Sportgymnasium an die HTL, von Schwimmwettbewerben zu Schaltkreisen – wobei ihm der Sport (bevorzugt Klettern und Snowboarden, "aber ich bin ein Erzrapidler und spiel auch selber saugern Fußball") als Freigegenstand erhalten geblieben ist. Das kommt zu den 37 Stunden, die die Pflichtgegenstände brauchen, noch dazu. Und die Lichttechnik, ebenfalls ein Freigegenstand.

Ja, und weil damit der Anspruch auf Teilnahme an Freigegenständen erschöpft ist, muss für die Audiotechnik eine informelle Lösung gefunden werden: Das Innenleben und das Verhalten von Mischpulten lernt Philipp eben, ohne dafür bewertet zu werden.

"Geiler Mundartrock"

Die Musik ist ihm nämlich besonders wichtig, er spielt Schlagzeug und hat sich den "Ribisls" angeschlossen, einer Wiener Neustädter Mundart- Rockgruppe: "Wir spielen so einen geilen Mundartrock – ich brauch die Musik jedenfalls, weil ohne Musik ist das Leben fad, da kann man seine Gefühle nicht ausdrücken." Das scheint auch Freundin Bianca so zu sehen, sie spielt E-Gitarre. Zwei- bis dreimal in der Woche wird bei den Ribisls geprobt (ohne Bianca) – und so mancher Abend wird für Besuche bei Rockkonzerten in Wien verplant.

Bleibt da Zeit, Hausübungen zu machen? "Wir kriegen nicht extrem viel Aufgaben, das ist ganz anders als im Gymnasium. Unsere Mathe- Lehrerin gibt uns keine – und wenn man bei ihr im Unterricht aufpasst, dann lernt man das auch so. Und wenn wir Aufgaben für zu Hause bekommen, da haben wir dann auch mehr Zeit, die Aufgaben zu überdenken."

Der Freitagnachmittag, an dem Philipp unterrichtsfrei hat, ist dem Selbststudium daheim gewidmet, am Samstagvormittag gibt es Unterricht und die Zeit danach gehört dem Fortgehen – "ich könnt nicht einen Tag allein herumsitzen, das wär mir zu fad".

"Zweite Familie"

Überhaupt ist Gemeinschaft für Philipp wichtig: "Meine Ursprungsfamilie ist sehr groß, auch wenn ich ein Einzelkind bin – die Oma ist aus Schattendorf, und da habe ich viele Verwandte." Die HTL, in der es üblich ist, dass Schüler auch nach dem Unterricht und sogar in den Ferien zum Lernen und Praktizieren dableiben, ist für ihn "eine zwei 5. Spalte te Familie", und die Ribisls sind "so etwas wie eine dritte Familie, kann man sagen. Der David und der Andy sind 23 und 24, wir gehen viel zusammen weg." Wobei die Fahrten zu den Proben (ebenso wie die in die Schule) mit dem Moped bewältigt werden: "Das ist gschmeidiger als mit dem Bus zu fahren."

Berufspläne hat Philipp vorläufig noch keine – wer die Wiener Neustädter HTL besucht, genießt den Luxus, sich keine Arbeitsplatzsorgen machen zu müssen, denn Absolventen der Elektrotechnik sind auf dem Arbeitsmarkt begehrt: "Ich hab ehrlich noch keine Ahnung, wo ich in drei Jahren bin, aber man hat eine tolle Grundausbildung. Da kriegt man ja in der Praxis den Ingenieurtitel – ich mein: Wenn ich so weit komm." Ein bisschen Unsicherheit schwingt mit, denn die Schulstatistik weist eine Repetentenquote von zehn Prozent aus, "und im letzten Jahr hab ich einen Fetzen in Grundlagen Maschinenbau gehabt".

"Mädchen-Bonus"

Wirkliche Sorgen scheint das Philipp aber nicht zu machen – er spricht von näher liegenden Zielen: Bei der Schülervertretungswahl will er antreten, heuer ist er dabei einer Kollegin unterlegen, "da haben Mädchen einen Bonus, das ist klar. Aber nächstes Jahr wird wieder kandidiert."

Warum? Weil er als Schülervertreter "Sachen verändern" will. Schulische Konflikte aus der Welt schaffen? Ja, das auch – da fällt ihm ein, dass der Raucherhof immer geöffnet ist, der Nichtraucherhof aber versperrt. Aber den Techniker-Ball zu verbessern – "da sagen alle, dass der von Jahr zu Jahr fader wird" – wäre ein mindestens so lohnendes Ziel. Und ein Schulfest will er für das nächste Frühjahr organisieren, ein Konzept dafür wird diese Woche in der Schuldirektion eingereicht.

Hauptgruppe dabei nach Philipps Vorstellungen: die Ribisls. (DER STANDARD-Printausgabe, 22.11.2005)