Laut Grundgesetz läuft mit der Auflösung der Knesset eine 21-Tage-Frist an, während der theoretisch ein anderes Parlamentsmitglied eine alternative Regierung bilden kann. Prompt startete der Likud-Fraktionschef einen Versuch, bei der Rechten die notwendigen Unterschriften für einen Kandidaten zusammenzukratzen, der wohl kein anderer als Sharons Rivale Benjamin Netanyahu sein konnte. Aber die Initiative hatte keine Aussicht auf Erfolg, und es galt als sicher, dass Israel innerhalb einer weiteren Frist von 90 Tagen im März wählen wird.
Keine Zeit vergeudet
Sharon vergeudete keine Zeit und versammelte sofort jene Abgeordneten, die den Kern seiner neuen Partei bilden werden, unter ihnen immerhin fünf Minister. Unter anderem musste man sich nun einen Namen geben – zur Auswahl standen "National-Liberale Partei" und das klobigere "Partei der Nationalen Verantwortung". Sharon konnte damit rechnen, rund ein Drittel der 40 Likud-Mandate mitzunehmen, und durfte sich insbesondere Hoffnungen machen, mit Verteidigungsminister Shaul Mofas noch ein echtes Zugpferd in den neuen Stall zu locken.
Zulauf auch von Arbeiterpartei
Von der Arbeiterpartei werden sicher Minister Chaim Ramon und vielleicht auch Ministerin Dalia Itzik zu Sharon überlaufen. Shimon Peres (82), durch die Niederlage bei den "primaries" der Sozialdemokraten gedemütigt, schwieg sich bis zuletzt darüber aus, bei wem er lieber die Nummer zwei sein würde: beim frisch gewählten Parteichef Amir Peretz oder bei Sharon, den er seit mehr als 50 Jahren kennt. "Shimon, das ist der Beginn unserer gemeinsamen Arbeit", hatte Sharon den Noch-Koalitionspartner bei der letzten Kabinettssitzung am Sonntag umschmeichelt.
Der Rest-Likud begann indessen, nach dem Schock der Spaltung die Scherben zu kitten. Spätestens im Dezember soll ein neuer Vorsitzender gewählt werden, wobei Benjamin Netanjahu, im Sommer aus Protest gegen den bevorstehenden Gaza-Abzug vom Amt des Finanzministers zurückgetreten, der natürliche Favorit ist. Aber insgesamt könnten sich nicht weniger als sechs Bewerber um Sharons Erbe streiten, unter ihnen Kaliber wie Mofas und Außenminister Silvan Shalom, die bisher brave Gefolgsleute Sharons waren.