Mit der raschen Bestellung von Ewald Nowotny zum neuen Chef hat die Bawag P.S.K. zumindest vorübergehend ihre Führungskrise gelöst und die Weichen für ihre nähere Zukunft gestellt. Der Ökonom und langjährige SPÖ-Abgeordnete ist ein vehementer Verfechter von öffentlichem Eigentum und wird dem vom Boulevard geforderten Rückzug des ÖGB aus dem Bankgeschäft beherzt entgegentreten. Unter ihm wird die Bawag ihre sozialdemokratischen Ideale wieder ernst nehmen.

Der neue Chef hat in seinen ersten Aussagen bereits deutlich gemacht, wohin die strategische Reise gehen soll: Weg von den exotischen Abenteuern seiner Vorgänger in der Karibik und der Wall Street, hin zu einer Verstärkung des Heimatmarktes und einer fortgesetzten Expansion in Osteuropa.

All das erscheint auf den ersten Blick vernünftig: Schließlich war nicht die ÖGB-Verbindung für das Refco-Fiasko verantwortlich, sondern die inkompetent betriebenen Geschäfte in den USA. Eine bescheidenere, etwas provinziellere Bawag könnte demnach wieder zu jener Cash-Maschine werden, die dem ÖGB seine Finanzlöcher stopft.

Nowotny wird allerdings bald erkennen, dass die Fernreisen der Bawag kein Zufall waren, sondern die logische Ausflucht aus einem strukturellen Problem: Die "Bank der kleinen Leute" ist Königin bei den Spareinlagen, doch sie schwächelt im Geschäft mit Unternehmenskrediten.

Ohne kräftige Einnahmen aus der Aktivseite kann die Bawag nicht jene günstigen Konditionen bezahlen, die ihre Privatkunden erwarten. Den Ausweg bot die Welt der Hochfinanz, wo liquide, aber unerfahrene Geldgeber stets willkommen sind.

Wenn Nowotny nun das inländische Darlehensgeschäft auf Kosten der Konkurrenz ausweiten will, dann geht das nur durch Kampfkonditionen oder einer Aufweichung der strikten Kreditvergabekriterien. Beides sind Rezepte für zukünftige Verluste.

Ebenso düster sind - trotz Nowotnys guter Kenntnisse der Region - die Chancen im Osten. Denn dort haben sich BA-CA, Erste und Raiffeisen die besten Stücke schon herausgefischt.

Auch die Zukunft als Gewerkschaftsbank ist wackeliger als es scheint. Die Geldsorgen des ÖGB kombiniert mit dem erwarteten Kapitalbedarf der Bawag, deren Rating durch den Refco-Kreditausfall leiden dürfte, legen die Hereinnahme eines strategischen Partners nahe. Dieser könnte gleichzeitig beim Erschließen neuer Geschäftsfelder helfen.

Doch kein Institut wird den Fehler der Bayrischen Landesbank wiederholen, die viele Jahre 46 Prozent der Bawag-Anteile, aber keine Durchgriffsrechte auf das Management besaß.

Früher oder später wird der ÖGB daher vor der Wahl stehen, durch einen Rückzug auf einen Minderheitsanteil den Wert seiner letzten großen Beteiligung zu erhalten oder aber zuzusehen, wie die Bawag von einer Krise in die nächste stolpert.

Ob unter Nowotny oder erst seinem Nachfolger - um eine Abnabelung von der Gewerkschaft wird die Bawag nicht herumkommen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2005)