Manchmal dauert es eben länger: Wäre es nach der Arbeiterkammer und seinen dortigen Förderern gegangen, wäre Ewald Nowotny, der designierte Chef der Bawag P.S.K., bereits seit 1967 Banker. Damals, als er im ÖGB und der AK Ferialpraktika absolviert und gerade sein Jusstudium beendet hatte, sollte der 23-Jährige als Vorstandsassistent in der Länderbank einsteigen.

Doch ein Schreiduell, in dem Nowotnys potenzieller Chef coram publico zur Schnecke gemacht wurde, stieß den Sohn des Direktors der "Stubenbastei", eines fortschrittlichen Gymnasiums in Wien, dermaßen ab, dass er lieber die Finger von der Bank ließ.

Nowotny, der mit seinem Freund Ferdinand Lacina zuvor gegen den "Mief der Universitäten" zu Felde gezogen war, ging - an die Uni. Er habilitierte sich in Linz beim legendären Volkswirtschaftslehre-Professor Kurt Rothschild und etablierte sich als einer der führenden österreichischen Finanzwissenschafter.

Zu internationalem Ruf brachte es der Austro-Keynesianer mit seinem Werk "Der öffentliche Sektor", in dem er sich mit der Rolle des Staates in der Wirtschaft auseinander setzte. 1978 holte Kanzler Bruno Kreisky den roten Professor ins Parlament, wo er als Abgeordneter 21 Jahre lang bleiben sollte. Nowotny - seine Frau arbeitet im Wirtschaftsministerium, sein 30-jähriger Sohn ist Investmentbanker - wurde Chef des Finanzausschusses.

Als solcher legte er die Bretter für jenes Parkett, auf dem er nun als Chef der Gewerkschaftsbank vor viel Publikum wird tanzen müssen. Im Brotberuf hat es der Mann mit "erstaunlich strapazfähigem Nervenkostüm" (Exfinanzminister Lacina) weit gebracht: 1982 wurde er Ordinarius der Wiener Wirtschaftsuni, deren Vizerektor er heute ist.

Dazwischen war der Archäologiefan und Büchersammler, der es vor allem auf alte Ausgaben von Werken des Erasmus von Rotterdam abgesehen hat, die personifizierte "Personalreserve der SPÖ": Er wurde nicht Finanzminister, nicht EU-Kommissar, nicht Rechnungshofchef.

Dafür holte er sich Bankerfahrung an höherer Stelle: Von 1999 bis 2003 war er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB) und für Finanzierungen in Österreich und Osteuropa zuständig. Auf die Vorstellungsrunde bei seinen neuen Mitbewerbern kann Nowotny daher verzichten.

Dass sich der Vertraute von ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch jetzt, mit 61, noch den Feuerwehrjob bei der Bawag antut, rationalisiert er so: "Das ist kein Himmelfahrtskommando, sondern eine wirklich schöne Aufgabe. Man muss nur das Vertrauen stärken."

Käme er selbst in Schwierigkeiten, so könnte sich Nowotny notfalls hinter seine Bücher retten: Gemeinsam mit Freund Lacina ist er stiller Gesellschafter seiner Lieblingsbuchhandlung. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2005)