Wien - SPÖ und FPÖ fordern in Reaktion auf ein STANDARD-Interview mit Wifo-Chef Karl Aiginger, dessen Mahnung ernst zu nehmen und ein Sonderpaket aus den aktuellen Steuermehreinnahmen zu schnüren. Finanzminister Karl-Heinz Grasser blockt allerdings ab.

Sein Sprecher Manfred Lepuschitz sagte am Montag: "Die Mehreinnahmen werden mit den Ausgaben gegenverrechnet. Wir haben also nicht mehr Geld, sondern nur weniger Schulden. Damit kann man kein neues Sonderpaket schnüren."

SP-Chef Alfred Gusenbauer ist freilich anderer Ansicht. "Von einem etwas niedrigeren Defizit kann sich kein Arbeitsloser etwas abbeißen", sagte Gusenbauer im STANDARD-Gespräch. Er befürchtet im Winter 360.000 bis 400.000 Arbeitslose.

Zusätzliche Steuereinnahmen, "müssen" daher nach Meinung des Sozialdemokraten zur Bekämpfung der drohenden Winter-Rekordarbeitslosigkeit herangezogen werden. Gusenbauer: "Wenn das schon ein so besonnener Mensch wie Wifo-Chef Aiginger fordert, dann brennt wirklich der Hut, dann ist Feuer am Dach."

Überschuss

Im September hieß es seitens des Finanzministeriums noch, um rund 500 Millionen Euro würden die Steuereinnahmen heuer über dem Budgetfahrplan liegen. Nach den guten Ergebnissen im Oktober gehen die Experten im Finanzministerium mittlerweile davon aus, dass die 500 Millionen "eher die Untergrenze" darstellen.

Dennoch werde es über das jüngste Beschäftigungspaket für 285 Mio. Euro hinaus kein weiteres Maßnahmenpaket mehr geben - zuerst müsse der "übernommene Schuldenberg" abgetragen werden.

Neben Gusenbauer fordert auch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl die Bundesregierung auf, die Warnung des Wifo-Chefs vor einer neuen Rekordarbeitslosigkeit im Winter ernst zu nehmen und unverzüglich entsprechende Maßnahmen zu setzen, um dies zu verhindern. "Die Regierung betreibt unentwegt Nabelschau, während immer mehr österreichische Arbeitnehmer auf der Straße landen", kritisiert Kickl.

Wifo-Chef Aiginger hatte angeregt, ein Drittel der Steuermehreinnahmen zur Budgetsanierung, ein Drittel kurzfristig gegen die Winterarbeitslosigkeit und ein Drittel für Zukunftsinvestitionen einzusetzen. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2005)