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UN-Berichterstatter für Folter, Manfred Nowak, besucht Haftanstalten in China.

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Das Pekinger Außenministerium hat die erste Inspektionsreise eines UN-Sonderberichterstatters zu Foltervorwürfen auf chinesischem Staatsgebiet positiv kommentiert und ihm die Unterstützung der Behörden zugesagt. "Wir hoffen, dass der Besuch über gemeinsame Bemühungen und auf der Grundlage wechselseitigen Respekts die erwarteten Ziele erfüllt", sagte Sprecher Liu Jianzhao nach der Ankunft des Wiener Rechtsprofessors Manfred Nowak.

Im Auftrag der UNO will Nowak bis zum 2. Dezember eine Reihe von Haftanstalten inspizieren, Gefangene treffen und von Beamten und Bürgerinitiativen Auskunft über Justizmissbrauch einholen. Das Außenministerium betonte, China sei bereit, sich über die Justizreform mit internationalen Organisationen auszutauschen. "Dies hilft unserer Reform. Wir nehmen eine offene Haltung dazu ein".

Inspektion in Tibet

Nowak, der Sonntag in Peking eintraf, sprach gegenüber dem STANDARD von einer "Gratwanderung", die auf ihn warte. Nach Treffen mit dem Außen- und Justizministerium wertete er es aber als "ersten Erfolg", dass ihm der Besuch von drei sensiblen Stationen (Urumqi und Yining in Nordwestchinas Provinz Xinjiang und Lhasa in Tibet) genehmigt wurde. Er sei nach Peking gekommen, weil China nach langen Verhandlungen "meine Richtlinien akzeptiert hat".

Nowak wird mit chinesischen Häftlingen unter vier Augen sprechen dürfen. In diesem Sinne seien Chinas Behörden auch einen "deutlichen Schritt weiter gegangen" als die USA. Nowak, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, hat jüngst für Schlagzeilen gesorgt, da er eine von den USA erlaubte Inspektion des Hochsicherheitsgefängnis Guantánamo ablehnte, weil Washington den UN-Berichterstattern untersagte, mit Häftlingen ohne Aufsicht zu sprechen.

Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen haben aus Anlass des UN-Besuchs Vorwürfe gegen die Pekinger Regierung erhoben. Sie führe unter dem Vorwand der Bekämpfung von islamistischen Terroristen oder Unabhängigkeitsbefürwortern einen brutalen Feldzug gegen uigurische und tibetische Nationalisten und gegen Gläubige.

Die Debatte über die vielen bekannt gewordenen Fälle von Folter bei Polizeiverhören, in Gefängnissen und Umerziehungslagern wird nicht nur außerhalb der Grenzen Chinas geführt. In jüngster Zeit wurde auch in chinesischen Medien über Fehlurteile bei der Verhängung von Haft- und Todesstrafen berichtet. Viele angebliche Geständnisse waren unter Folter erzielt worden.

Verhördauer

Selbst Generalstaatsanwalt Jia Chunwang räumte öffentlich Missbrauch ein. Auf dem Volkskongress im März sagte er, dass die Polizei noch vielfach Gewalt gegenüber Häftlingen anwendet. 1595 Beamten wurden 2004 bestraft, weil sie durch Folter Geständnisse erpressten, illegale Verhaftungen vornahmen und "Menschenrechte von Gefangenen" verletzten – 13,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Inzwischen hat der ständige Ausschuss des Volkskongresses (Chinas Parlament) die erlaubte Höchstdauer von Verhören von 36 auf 12 Stunden herabgesetzt. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2003)