Es ging weder in Dayton, noch in den seither vergangenen zehn Jahren um Gerechtigkeit, sondern um die Beendigung des Blutvergießens bzw. der Instabilität durch die internationale Staatengemeinschaft.
Man muss die Bilanz von Dayton und die Aussichten für die Zukunft nüchtern einschätzen. Der ehemalige schwedische Ministerpräsident und erste vom Friedensimplementierungsrat eingesetzte Hohe Repräsentant in Bosnien (1996-97), Carl Bildt, sieht heute die Dinge eher positiv. Die Erfolge seien offensichtlich: Mehr als eine Million Flüchtlinge kehrten zurück, die interethnischen Grenzen seien kaum wahrzunehmen. Im Gegensatz zum Kosovo erlebten die vielgeprüften Einwohner Bosniens seit Dayton keine blutigen Gewalttaten. Die Zahl der internationalen Soldaten wurde im Laufe der Zeit von 60.000 auf 6.000 abgebaut. Doch ist dieser Staat Bosnien-Herzegowina in seiner gegenwärtigen Form eine Totgeburt. Ein Gesamtstaat (mit einem ethnisch gegliederten dreiköpfigen Präsidium), bestehend aus zwei Teilstaaten und zehn Kantonen mit 160 Ministern samt entsprechender Bürokratie ist unregierbar. Die Kosten dieses enormen Apparates verschlingen über zwei Drittel der Staatseinnahmen. Die Schattenwirtschaft blüht. Die Wirtschaftsleistung liegt noch immer unter dem Vorkriegsniveau. Zwei Milliarden Dollar Auslandshilfe sollen einfach verschwunden sein. Die politischen Parteien bleiben nationale Interessenvertretungen und pochen auf ihre verbrieften Vetorechte im gesamtstaatlichen Parlament. Der Hohe Repräsentant ist de facto ein Statthalter, der Politiker absetzen und am Parlament vorbei Gesetze erlassen darf.
Die Frage bleibt offen, ob eine Zentralregierung mit echten Kompetenzen überhaupt ermöglicht werden könnte. Es fehlt fast allen Politikern der Mut, dem Dienst am bosnischen Staat und nicht an ihrer eigenen Volksgruppe den Vorrang zu geben.