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Foto: Reuters/Paranjpe
Nicht nur die geplante Nordeuropäische Pipeline aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland sorgt für hitzige Diskussionen unter den osteuropäischen Gastransitländern, nun droht einigen von ihnen (Ukraine, Moldawien, Rumänien) Konkurrenz auch aus der Schwarzmeerregion. Die Türkei solle zur "Energiebrücke zwischen Russland und Europa" werden, über die Türkei wolle Russland sein Gasexportnetz erweitern, sodass künftig russisches Gas vom Staat am Bosporus nach Südeuropa und möglicherweise auch nach Israel strömt.

Mit dieser Erklärung überraschten Russlands Präsident Vladimir Putin und sein türkischer sowie italienischer Amtskollege, als sie letzte Woche die Gaspipeline "Blue Stream" eröffneten. Die Eröffnung kam zeitverschoben, seit über zwei Jahren nämlich sind die zwei Gasröhren, die mit einer Länge von 1200 km aus Südrussland durch das Schwarze Meer (400 km) ins türkische Ankara führen, in Betrieb.

Mit gehörigen Unregelmäßigkeiten wohlgemerkt: Blue Stream ist mit 3,2 Milliarden Dollar Baukosten nicht nur eines der teuersten Projekte des russischen Gasmonopolisten Gasprom (gemeinsam ausgeführt mit der italienischen Ölgesellschaft ENI), es hatte auch Startschwierigkeiten, bis die Türkei einen billigeren Gaspreis bei den Russen durchsetzte.

Außerdem sind die Röhren nach wie vor nur zu einem kleinen Teil gefüllt: so fließen heuer 4,5 Mrd. Kubikmeter in die Türkei, obwohl die Pipeline eine Kapazität von 16 Mrd. Kubikmeter hat. Volle Auslastung wird ohnehin nicht vor 2010 erwartet, wobei ungewiss bleibt, ob der Gasverbrauch der Türkei, der zu 60 Prozent aus Russland gedeckt wird, bis dahin entsprechend steil ansteigt.

Transit-Pipeline

Nun war den Türken, die laut Vertrag auch das überflüssige Gas zu bezahlen haben, bislang ein Weiterverkauf verboten. Mit der Einigung in der Vorwoche jedoch wird Blue Stream künftig zur Transit-Pipeline: die neuen Zielländer sind Süditalien, andere Landesteile Südeuropas und Israel, die Entscheidung über die weiteren Transportrouten - ob nach Griechenland oder auf den Balkan - sollte binnen eineinhalb Jahren fallen.

Angesichts dieser Perspektiven plant Gasprom eine weitere Parallelröhre in die Türkei, um die Exportkapazität von Blue Stream auf 32 Mrd. Kubikmeter im Jahr zu erhöhen. Ob letzteres einen Sinn ergibt, ist unter Experten noch völlig umstritten. Schon jetzt deckt Gasprom zu 40 Prozent den europäischen Gasbedarf, in manchen osteuropäischen Staaten zu drei Viertel.

Mit dem neuen Plan für Blue Stream erhält Russland neue Einflussmöglichkeiten - vor allem eine stärkere Position gegenüber den bisherigen Transitländern, die Transitgebühren kassieren und bislang Gas zu verbilligtem Preis beziehen.

Neben der Gasroute tüftelt der zum Energiemulti anwachsende Konzern Gasprom aber auch über den Ölexport, und zwar über eine neue Pipeline vom Schwarzmeerufer unter Umgehung der Bosporos-Enge in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan.

In seinen Türkeimanövern baut Gasprom auf die Mithilfe der italienischen ENI, mit der soeben ein Kooperationsmemorandum im Entstehen ist. Gasprom ist erpicht darauf, in Italien Gas auch an den Endkunden verkaufen zu dürfen. Ein Sensationsvertrag, bei dem auch ein russischer Wahlösterreicher als Strohmann für einen Berlusconi-Deal mit Gasprom fungieren sollte, ist vor kurzem geplatzt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.11.2005)