Wien - Häusliche Gewalt ist in Österreich noch immer erschreckender Alltag. Schätzungen zufolge ist jede fünfte Frau durch Übergriffe von männlichen Familienmitgliedern betroffen. 4.674 Wegweisungen und Betretungsverbote musste die Polizei im Vorjahr verhängen, im ersten Halbjahr 2005 waren es bereits 2.661. Im Jahr 1997, in dem das Gewaltschutzgesetz in Kraft trat, waren es lediglich 1.365.

Gewaltschutzgesetz "greift"

Diese signifikante Zunahme der Anzeigen sei allerdings nicht gleichzusetzen mit einer Zunahme an Gewalt. "Gewalt gegen Schwächere hat es immer gegeben", erklärte Maria Ullmann vom Bundeskriminalamt anläßlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Dass die Übergriffe heute mehr als früher auch zur Anzeige gebracht werden, hält Ullmann für ein gutes Zeichen: "Es zeigt, dass das Gewaltschutzgesetz greift."

Die Bevölkerung sei heutzutage stärker für das Thema "Gewaltanwendung im häuslichen Bereich" sensibilisiert. Immer häufiger würden Nachbarn, Bekannte oder betroffene Frauen selbst bei aggressiven Zwischenfällen die Polizei alarmieren. Allerdings würden noch längst nicht alle Übergriffe zur Anzeige gebracht, so Ullmann.

Wiener Polizei greift immer häufiger ein

Der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl hob in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Frauenstadträtin Wehsely anlässlich des Starts der Kampagne "16 Tage gegen Gewalt" die Bedeutung des seit 1997 gültigen Gewaltschutzgesetzes hervor. "Hier ist eine erste Maßnahme getroffen worden, den Frauen, die unter Gewalt leiden, eine Hilfestellung zu leisten", so Stiedl.

Die Polizei kann dadurch gegen die Täter Betretungsverbote aussprechen. "Früher hat man vermehrt Streitschlichtungen gemacht, die aber keine echte Hilfe für die Frauen sind", sagte er der Polizeipräsident. Er hofft nun auf die baldige Schaffung einer bundesweiten Gewaltschutzdatei und das Anti-Stalking-Gesetz: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine derartige Bestimmung brauchen."

Wehsely: "Recht auf gewaltfreies Leben"

Wehsely verwies auf die Leistungen der Stadt Wien: Die vier Frauenhäuser würden mit jährlich vier Mio. Euro finanziert, und man habe beim Frauennotruf (Telefon 01/71719) seit 1996 rund 40.000 Personen beraten. "Jeder Mensch hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben", betonte sie. Für das kommende Jahr kündigte sie eine Studie zum Thema Zwangsehen bei Migrantinnen an, um das Ausmaß des Problems besser erfassen zu können.

Die Wiener Frauenhäuser haben bis September 2005 insgesamt 388 Frauen und 356 Kinder aufgenommen, um rund 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Martina Ludwig, SPÖ-Gemeinderätin und Vorsitzende des Frauenhaus-Vereins, findet dafür eine ähnliche Begründung wie Wehsely: "Wien verfügt über ein gut ausgebautes Opferschutz-Netz, durch das sich auch immer mehr Frauen zutrauen, aus der Gewaltspirale auszubrechen."

Dazu soll nun auch der neue, einheitliche Notruf der Wiener Frauenhäuser beitragen. Sie sind ab sofort rund um die Uhr über die Telefonnummer 05 77 22 zu erreichen. (APA)