London - Die Leitung des arabischen Fernsehsenders Al-Jazeera will vom britischen Premierminister Tony Blair persönlich Auskunft darüber, ob US-Präsident George W. Bush mit ihm über eine Bombardierung des Senders gesprochen hat.

Eine Delegation des Senders werde am Samstag einen Brief an Blair mit der Bitte um eine Unterredung überbringen, sagte der Al-Jazeera-Geschäftsführer Waddah Khanfar am Freitag in London der Nachrichtenagentur Reuters. Er sei in die britische Hauptstadt gekommen, um Aufklärung in der Sache zu bekommen.

Angriff auf Al-Jazeera?

Die britische Zeitung "Daily Mirror" hatte am Dienstag über eine angebliche Gesprächsnotiz von einer Begegnung Blairs mit Bush im April 2004 berichtet. Demnach soll Bush damals seinen Verbündeten Blair über Erwägungen unterrichtet haben, Al-Jazeera anzugreifen. Die USA haben dem Sender wiederholt vorgeworfen, sich in seiner Berichterstattung über den Aufstand im Irak auf die Seite der dortigen Rebellen zu stellen.

"Das ist ein Grund für ernsthafte Besorgnis sowohl bei Al-Jazeera als auch für die arabische Welt und die Medien", sagte Khanfar. Die Wahrheit müsse ans Licht kommen. "Das kann nicht mit irgendwelchen vagen Erklärungen vom Tisch gewischt werden."

Die britische Regierung erklärte, sollte es den Wunsch von Al-Jazeera zu Gesprächen geben, werde man mit dem Sender genauso wie mit jedem anderen Medienunternehmen sprechen. Khanfar sagte auf die Frage, ob er glaube, dass Bush den Sender tatsächlich habe bombardieren wollen: "Wir wollen kein Urteil fällen, bevor wir nicht wissen, ob das Dokument echt ist oder falsch. Aber ich kann sagen, dass wir bereits einmal in Kabul und einmal in Bagdad angegriffen wurden und das dabei zwei unserer Mitarbeiter getötet wurden."

In der Gesprächsnotiz sei ein nicht namentlich genannter Regierungsvertreter mit der Überlegung zitiert, Bush habe seinen Vorschlag scherzhaft gemeint, hieß es im "Daily Mirror" weiter. Eine andere, ebenfalls nicht näher identifizierte Quelle soll aber die Ernsthaftigkeit der Präsidenten-Aussage bekräftigt haben. Blair habe Bush der Notiz zufolge von seinem Plan abgebracht. Die US-Regierung hat erklärt, die Angaben seien dermaßen abwegig, dass sie keine Reaktion verdienten.

Die britische Generalstaatsanwaltschaft hatte am Mittwoch die Chefredakteure britischer Medien davor gewarnt, weitere Details des offensichtlich an die Presse lancierten Dokuments über den angeblichen Plan zu veröffentlichen. Die Publikation könne nach den Gesetzen zum Schutz vor Geheimnisverrat geahndet werden, hieß es in dem Schreiben, aus dem mehrere Zeitungen zitierten. (APA)