Paris/Genf - Internationale Tageszeitungen beschäftigen sich in ihrer Sonntag-Ausgabe mit den angeblichen US-Geheimgefängnissen in Europa:

"Le Monde" (Paris):

"Solche Geheimgefängnisse wären inakzeptabel. Sie brächten die Rhetorik von der Demokratie und den Menschenrechten in Misskredit, die nach den Anschlägen des 11. September den USA doch dazu dienen sollte, den Kreuzzug gegen Terror und Tyrannei zu rechtfertigen. Sie würden ein Land entehren, das sich gern als Verkörperung universeller Werte darstellt, die verteidigt und gefördert werden müssen. Im Gegensatz zu dem, was man im Umfeld von US-Präsident George W. Bush denkt, rechtfertigt der Krieg nicht jedes Mittel und sicher keine Folter.

Dass sich die Frage (nach einem Geheimgefängnis) auch im Kosovo stellt, kommt erschwerend hinzu. Es wäre besonders schockierend, spielten sich die USA wie in einem eroberten Land auf, während die Provinz doch seit sechs Jahren ein UNO-Protektorat ist. Der Westen hat nicht 1999 unter Berufung auf humanitäre Gründe Krieg geführt, um heute dort rechtsfreie Zonen zu tolerieren oder gar zu schaffen."

"NZZ am Sonntag" (Zürich):

"Vier Jahre nach dem Fanal des 11. Septembers zeigt der Streit um angebliche CIA-Gefängnisse in Europa, wie sehr im Kampf gegen den Terrorismus das Ansehen der USA gelitten hat. Im konkreten Fall gibt es bis jetzt zwar noch keine handfesten Beweise. Im Generellen aber zweifelt kaum mehr jemand daran, dass wohl auch hier wie schon andernorts im Kampf gegen den Terrorismus Völkerrechtsprinzipien verletzt wurden. Das leistet in Europa dem Antiamerikanismus Vorschub, im arabischen Raum dem Hass auf die USA.

Immerhin scheint nun selbst in Bush-freundlichen Kreisen die Erkenntnis zu reifen, dass es so nicht weiter gehen kann. Eine klare Distanzierung der US-Regierung von solchen Praktiken wäre dabei wohl weniger hehren Prinzipien verpflichtet als vielmehr politischem Pragmatismus: Wer Freiheit in Menschenwürde zum Durchbruch verhelfen will, muss beides auch dann schützen, wenn es schwer fällt. Alles andere schadet der Glaubwürdigkeit - und damit der eigenen Durchsetzungskraft." (APA/dpa)