Botschafter Wolfgang Petritsch übergibt heute den Vorsitz der Ottawa- Konvention an Kroatien.

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Erfolgsgeschichten der multilateralen Zusammenarbeit sind heutzutage Mangelware. In kaum einem Bereich aber wären Fortschritte so dringend notwendig, ist die Liste der Fehlschläge so lang, wie bei der globalen Sicherheit im Allgemeinen und der Abrüstung im Besonderen. Die erfolgreiche Umsetzung des Totalverbots von Antipersonenminen ist eine der raren Ausnahmen.

Österreich spielt seit Beginn dieses außergewöhnlichen Prozesses Mitte der Neunzigerjahre eine zentrale Rolle. Im September 2003 hat Österreich den Vorsitz des so genannten Ottawa-Vertrages übernommen, dem bereits 147 Staaten angehören. Höhepunkt dieses Vorsitzes war vor genau einem Jahr der Nairobi-Gipfel für eine minenfreie Welt, deren konkretes Ergebnis sich in einem auf fünf Jahre angelegten Aktionsplan manifestiert. Bei der Jahreskonferenz der Konvention, die diese Woche in Zagreb stattfindet, endet der österreichische Vorsitz und geht auf Kroatien über. Basierend auf einem von Österreich und Kroatien erstellten Bericht werden die Vertragsparteien erstmals Rechenschaft über die erzielten Fortschritte ablegen.

Aus österreichischer Sicht war es nahe liegend und wünschenswert, die jetzt beginnende Jahrestagung in der ehemaligen Konfliktzone Südosteuropa abzuhalten. Von all den vom Krieg betroffenen Nachfolgestaaten Jugoslawiens hat Kroatien die größten Fortschritte im Kampf gegen Landminen erzielt und ist damit auch Garant für eine forcierte regionale Umsetzung des Nairobi-Zieles einer minenfreien Welt.

Wie sieht nun die Bilanz des österreichischen Vorsitzes aus? Seit der Übernahme des Vorsitzes in Bangkok vor zwei Jahren sind weitere 12 Staaten dem Übereinkommen beigetreten, darunter zwei Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, Äthiopien und Bhutan. Mit dem jüngst erfolgten Beitritt Lettlands sind von den EU-25 nur noch Polen und Finnland außerhalb der Konvention. In beiden Ländern sind jedoch in den letzten zwei Jahren die Beitrittsbemühungen intensiviert worden. Ebenso hat sich die Zahl vernichteter Antipersonenminen von 35 auf fast 40 Millionen erhöht.

Im Sinne des Präventionsgedankens wurde somit sichergestellt, dass jedenfalls diese Minen in Zukunft niemandem mehr Schaden zufügen können. Die Räumung verminter Gebiete, kostenintensivster Teil der Minenaktion, ist während dieser Zeit verstärkt fortgesetzt worden. Das spiegelt sich auch darin wider, dass die Zahl der Unfälle rückläufig ist. Dennoch fallen jährlich immer noch zwischen 15.000 und 20.000 Menschen Minen und anderen explosiven Überresten früherer Kriege zum Opfer.

Daher war es ein Anliegen des österreichischen Vorsitzes, für eine ausreichende Finanzierung von Minenaktionen rund um den Erdball Sorge zu tragen; ein deutlicher Aufwärtstrend ist ersichtlich. Allein 2004 stieg die weltweite Gesamtfinanzierungsleistung um 60 Millionen Dollar auf ca. 400 Millionen Dollar.

Das in der Konvention festgelegte Totalverbot hat auch dazu beigetragen, dass gemäß dem neuesten Bericht der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) nur noch drei Staaten (Myanmar, Nepal und Russland), die allesamt nicht Vertragsparteien sind, Antipersonenminen verwenden. Des Weiteren ist der legale Handel mit Antipersonenminen praktisch völlig zum Erliegen gekommen. Selbst Rebellenbewegungen - "Armed Non-State Actors" - unterwerfen sich vermehrt den Zielen der Ottawa-Konvention.

All das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch viel zu tun bleibt. Vor allem die Räumung verminter Gebiete wird allen beteiligten Akteuren viel abverlangen; dies gilt auch für die "vergessenen Konflikte" wie Angola und Kambodscha und selbst für Afghanistan. Auch Bosnien und Herzegowina ist 10 Jahre nach dem Ende des Krieges noch weit von einer Lösung seines massiven Minenproblems entfernt - ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg zur Normalisierung!

Zwar haben sich die meisten von Minen betroffenen Staaten dem Totalverbot vertraglich verpflichtet, doch ist für eine endgültige Lösung des Minenproblems die Beteiligung der großen Militärmächte - allen voran der USA - erforderlich. Immerhin war es deren ehemaliger Präsident Bill Clinton, der als erster Staatsmann überhaupt ein Totalverbot gefordert hatte. Bedauerlicherweise ist es dem österreichischen Vorsitz trotz eines intensiven Dialogs mit Washington nicht gelungen, die USA zum Beitritt zu bewegen. Es verwundert, dass sich deren "Krieg gegen den Terror" nicht auch gegen diese so offensichtlich als Terrorwerkzeug taugliche "Waffe des armen Mannes" richtet.

Während die großen Militärmächte noch immer das traditionelle Konzept der "militärischen Sicherheit" verfolgen, stellt die Ottawa-Konvention das Prinzip der menschlichen Sicherheit in den Mittelpunkt, das damit erstmals die Grundlage eines multilateralen Abrüstungsvertrages bildet. Diese neue Qualität in der internationalen Abrüstungspolitik sollte auch für andere Waffengattungen wie etwa Antifahrzeugminen und Mehrfachsprengköpfe ("Cluster-Munitions") verankert werden. Dies wird wohl nur gelingen, wenn es ähnlich dem Ottawa-Prozess zu einer "Koalition der Entschlossenen" zwischen einer kritischen Öffentlichkeit und fortschrittlichen Regierungen kommt.

Das Zagreber-Treffen könnte weit über den eigentlichen Minenbereich hinaus Impulse für eine tatsächlich sichere Welt geben.

*Wolfgang Petritsch, von 2003-2005 Vorsitzender der Ottawa-Konvention und Präsident des Nairobi-Gipfels für eine minenfreie Welt ist UNO-Botschafter in Genf, ; Alexander Kmentt, Abrüstungsexperte, war Mitorganisator des Nairobi-Gipfels. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2005)