Obwohl zwei Drittel der Bevölkerung des Alpenraums in verstädterten Regionen leben, kommen diese Menschen und ihr Lebensraum in gängigen Alpenbildern nicht vor. Die 1997 in Villach geborene Idee, jährlich eine Alpenstadt des Jahres zu küren, versucht nicht nur eine Ergänzung der ländlich und bäuerlich geprägten Alpenklischees: "Die Städte tragen für die Entwicklung des Alpenraums eine große Verantwortung, ohne ihre Mitwirkung, ohne Brücken von den Städten zum Umland, kann ein Projekt wie die Alpenkonvention nicht greifen", sagt Andreas Weissen, Jurymitglied für die Wahl der Alpenstadt des Jahres und bis 2004 Präsident der internationalen Alpenschutzkommission Cipra.

2005 war Sonthofen im Oberallgäu an der Reihe. Deutschlands südlichste Stadt hat 20.000 Einwohner und liegt idyllisch am Fuße der Allgäuer Hochalpen. Bürgermeister Hubert Buhl verweist auf 140 Veranstaltungen zum Thema und insbesondere auf zwei nachhaltig wirkende Projekte. Zum einen ein Hackschnitzelwerk, das fast alle öffentlichen Gebäude und 800 Haushalte mit Fernwärme versorgt und die Wertschöpfung für den Brennstoff in der Region belässt. Zum anderen ein Erlebnisweg, der im Stadtzentrum beginnt und auf verschieden langen Routen bis ins alpine Naturschutzgebiet reicht. Beispielhaft wurde bei diesem Projekt auch der Anspruch einer breiten Bürgerbeteiligung erfüllt.

Alpine Identität

Neben der Cipra sind am Projekt auch der Verein "Pro Vita Alpina" und die Arge Alpenstädte beteiligt. Bemerkenswert ist, dass alle acht bisherigen Alpenstädten des Jahres weiter mitarbeiten. Colette Patron Bürgermeisterin von Gap (FP), das 2000 den Titel getragen hat, ist Präsidentin der daraus hervorgegangenen Interessengemeinschaft: "Wir lernen von einander und haben einen regelmäßigen Austausch."

Bei der Sonthofner Abschlussveranstaltung war eine alpine Identität spürbar, die jenseits romantischer Klischees auf eine Entwicklung im Alpenraum abzielt, die Brücken zwischen Ökologie und Ökonomie und zwischen Stadt und Land baut. Alpenstadt des Jahrs 2006 wird Chambéry in Frankreich, das sich seit Jahrhunderten als Tor zu den Westalpen versteht. (hs/DER STANDARD; Printausgabe, 28.11.2005)