Zagreb/Wien - Der frühere EU-Kosovo-Sonderbeauftragte Wolfgang Petritsch hat davor gewarnt, das Problem der südserbischen Provinz losgelöst von den anderen Konfliktherden in Südosteuropa zu behandeln. "Wenn man das Problem nur isoliert betrachtet, verlängert man die Konfliktdauer", sagte Petritsch am Sonntag gegenüber der APA. Er stimme diesbezüglich mit den Ansichten des früheren slowenischen Präsidenten Milan Kucan überein.

Kucan hatte vorige Woche in einem Interview gesagt, es gebe "keine Garantie" dafür, dass eine Unabhängigkeit des Kosovo nicht auch ähnliche Tendenzen bei den bosnischen Serben oder den Albanern in Mazedonien fördern könnte. "Wer sich für partielle Lösungen einsetzt, muss auch die Verantwortung dafür übernehmen, was passieren wird, und zwar nicht nur dort, wo man die Lösung vorschlägt, sondern auch in anderen Teilen dieses immer noch instabilen Gebiets", sagte Kucan.

Friedenslösung

Petritsch wies darauf hin, dass das Kosovo-Problem vor zehn Jahren von der Friedenslösung für Bosnien-Herzegowina in Dayton "ausgeschlossen" worden sei, weswegen es heute immer noch bestehe. Er deutete an, dass er in einem EU-Beitritt der betroffenen Länder eine Möglichkeit sieht, die unversöhnlich scheinenden Differenzen in der Statusfrage zu überbrücken. Die Lösung sollte "eingebettet in eine europäische Perspektive" erfolgen, sagte der heutige UNO-Botschafter Österreichs in Genf. Er forderte ein "Gesamtkonzept" der EU für die Region, mit "maßgeschneiderten Programmen" für die einzelnen Staaten.

Lackmustest

Die Stabilisierung der Region sei auch ein "Lackmustest des Erfolgs der europäischen Integration", die derzeit in anderen Bereichen stagniere, sagte Petritsch unter Verweis auf die EU-Verfassungskrise und den Streit um das Budget 2007-2013. Ein Erfolg in Südosteuropa könnte daher auch einen "Impetus" für die EU als Ganze geben und die "Eurooptimisten" stärken.

Für konkrete Lösungsvorschläge sei es "noch zu früh", sagte Petritsch auf die Frage nach dem künftigen Status der südserbischen Provinz, deren albanische Mehrheitsbevölkerung nach staatlicher Unabhängigkeit strebt. Nun gehe es zunächst einmal darum, in den vom UNO-Beauftragten Martti Ahtisaari geführten Verhandlungen "technisch-administrative Teilaspekte durchzudeklinieren".

Provinzregierung

Konkret nannte Petritsch den Schutz der Minderheiten und die Machtverteilung zwischen Provinzregierung und Gemeinden. Diesbezüglich sollte man vom Beispiel Bosniens lernen, "schon bei Abschluss des Vertrags eine tragfähige Lösung zu finden, damit man hinterher nicht zu viel nachbessern muss". Die starke Dezentralisierung Bosniens mit großen Befugnissen und einer aufgeblähten Verwaltung in den ethnisch strukturierten Landesteilen gilt als Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und dessen EU-Annäherung.

Bei der Suche nach Lösungen sollte man sich "vom Zeitfaktor nicht zu sehr treiben lassen", sagte Petritsch auf die Frage, ob noch während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2006 mit Ergebnissen zu rechnen sei. Bei der Statusfrage handle es sich "letztlich um eine politische Entscheidung", wobei eine Einigung zwischen Belgrad und Pristina zu bevorzugen sei. (APA)