Forschung & Geschlecht
Vortragsreihe "building gender"
Arten des Feminismus im Bereich der architektonischen Studien
Die Vortragsreihe "building gender" läuft seit dem letzten Wintersemester 1999/2000 an der Technischen Universität Wien. Sie wird von Dörte Kuhlmann und Kari
Jormakka vom Institut für Baukunst, Bauaufnahmen und Architekturtheorie
organisiert und vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Gefördert.
Institutionen in soziologischer Hinsicht in Frage gestellt
Zur Zeit werden zumindest drei Arten des Feminismus im Bereich der
architektonischen Studien unterscheiden. Da ist erst einmal die
angelsächsische liberale Tradition, die politisch motiviert ist und die
Institutionen in soziologischer Hinsicht in Frage stellt. Die frühen
Arbeiten von Dolores Hayden und Susana Torre beispielsweise können in
dieser
Kategorie klassifiziert werden. Auf empirischer Basis begründen sie eine
männliche Dominanz im Bereich der architektonischen Praxis: es gibt
relativ
wenige weibliche Architekten und sehr wenige weibliche Superstars; die
Büros
werden nach dem typischen maskulinen Modell geführt, wobei nach Howard
Roark
das Ideal des einsamen kreativen Künstlers gefördert wird. Liberale
Feministinnen kämpfen für gleiche Möglichkeiten, gemeinsame Werte usw.
Diese
Tradition wurde deshalb gefordert, weil sofern die Institutionen selbst
von
männlichen Werte geprägt sind, Frauen diese Werte annehmen müssen, um
erfolgreich zu sein. Daher repräsentieren Julia Morgan oder Zaha Hadid
nicht
wirklich eine Alternative zum dominierenden Architektursystem.
Frauen sollten
bestimmte
weibliche Werte fördern
Eine andere Art des Feminismus basiert auf der Annahme, dass Frauen
bestimmte
weibliche Werte fördern sollten. Besonders in Deutschland gab es eine
Reihe
von Schriftstellern, die versuchten, ein feminines Prinzip auf der
Tiefenpsychologie von C.G. Jung oder den Studien von Erik H. Erikson zu
gründen, oftmals durchzogen von grüner Ideologie, Anthroposophie, urbaner
Mythologie über Hexenkraft, phantastischen Spekulationen über Matriarchate
etc. Eine Repräsentantin dieser Richtung, Margrit Kennedy, argumentierte,
dass eine rundliche Architektur mit Höhlen und Kurven essentiell weiblich
ist, während winklige Türme maskulin sind.
Auf etwas weniger
diagrammatische
Weise argumentierte Karen A. Franck mit Verweis auf die Psychoanalyse, dass Frauen als Architektinnen anders arbeiten, weil Frauen eher auf die
Bedürfnisse anderer Menschen eingehen, sensibel gegenüber Kategorien sind,
das Verlangen besitzen, Dualitäten zu überwinden, subjektives Wissen
akzeptieren und flexibel sind. In einem eher abstrakteren Sinn versuchten
einige französische Feministinnen, die weibliche Denkweise zu
charakterisieren.
Femininität eine
kulturell bedingte Qualität
Eine dritte Art des Feminismus besteht darauf, dass Femininität eine
kulturell bedingte Qualität darstellt, z.B. das Geschlecht sich als
soziale
Kategorie vom Geschlecht als anatomischer Kategorie unterscheidet:
Anatomie
ist kein Schicksal. Eine zeitgenössische Feministin, Teresa de Lauretis
argumentiert, dass das "Subjekt des Feminismus nicht durch sexuelle
Unterschiede allein, sondern über Sprache und kulturelle Repräsentationen
konstituiert wird; ein Subjekt, insofern nicht einheitlich, sondern eher
vielfältig, und nicht so sehr unterteilt als widersprüchlich."
Daher
betonen
feministische Geografinnen wie Gillian Rose, dass die Basis von Wissen
unstabil, verlagernd, unsicher, angreifbar ist, und daher auch die
Identität (ob sexuell, ethnisch, klassengebunden oder anders) ebenfalls
unstabil, wechselnd, vielfältig, situationsbedingt, hybrid und immer neu
verhandelt wird.
In der Architekturtheorie wird diese poststrukturalistische Position von
Jennifer Bloomer und Catherine Ingraham präsentiert, deren Schreibstile
Jacques Lacan und Jacques Derrida eng verbunden sind. Sie nähern sich der
Architektur vor allem durch Repräsentationen an, z.B. Texte, Zeichnungen,
Film etc. Statt einer solchen textuellen Betonung kombinieren
Architekturhistoriker wie Beatriz Colomina und Mark Wigley theoretische
Interessen mit umfangreichen historischen Studien anerkannter Meisterwerke
und banalen Dingen. In ihren Texten ist Colomina weniger interessiert an
Symbolismen oder Ideologien, die semiotisch in der Architektur verkörpert
werden, als an der Konstitution der Identität durch den Blick, wie es von
Lacan argumentiert wurde.
Ziel: Diskussion auch an der TU Wien etablieren
Ziel der Vortragsreihe ist es, diese Diskussion jetzt auch an der TU Wien
zu
etablieren.
Im letzten Semester konnten u.a. Irene Nierhaus ("Geschlechterräume"),
Daniela Hammer-Tugendhat ("Kann Mann/Frau im Haus Tugendhat wohnen?") und
Françoise-Hélène Jourda, die erste Professorin für Architektur an der TU,
als Vortragende gewinnen.
Zur Zeit wird daran gearbeitet, eine Selektion der Vorträge als Buch zu
publizieren.
In diesem Semester wurden bereits folgende Themen behandelt:
Eva Keil: "Aus der Praxis - Strategische Hinweise für Pragmatikerinnen"
Silja Tillner "Defensible Space" Kriminalitätsprävention durch
Environmental
Design
Michael Zinganel "Architektur. Technik. Kontrolle." Eine historische
Betrachtung von Kontrollräumen im Roten Wien
Barbara Holub "Die ’Perücke im Alltag des Urbanen Handelns’ label ’kunst’
benutzen um offen verdeckt agieren zu können und dadurch bestimmte systeme
zu unterwandern
Anne Rossberg "Vom Geschlechtscharakter des Raumes" über die neuen
Raumtypen
des Damen- bzw. Herrenzimmers im 19. Jahrhundert
Ina Wagner "Architektur in multi-medialen Welten"
Der nächste Vortrag
16.5. Ingrid Scharmann, Wien Körper - Raum - Wahrnehmung (Geschlecht?)
Wie ist nach der Performance-Art der Körper in den neuen Arbeiten der
Performance im technischen Medium deutbar, welche Thematiken zeigen sich im
Körperbezug zur Technik?
Sinnliche Erkenntnis im Medienzeitalter anhand von philosophischen und
kunstwissenschaftlichen Analysen.
Robotronische und kosmoplastische Epistemologie im 4. Gehäuse.
19ct-21 Uhr, hs14a, TUWien, Karlsplatz 13