Foto: Photodisc
Wien - Je weiter die Entwicklung in der Medizin fortschreitet, desto beliebter scheint der Rückgriff auf naturnahe Methoden. Offensichtlich gibt es ein großes Bedürfnis nach "anderen" Heilungsmethoden: 50 Prozent der Österreicher haben bereits homöopathische Medikamente eingenommen, 25 Prozent eine Akupunkturbehandlung in Anspruch genommen. Besonders in der Krebsbehandlung, bei der Geburtshilfe oder zur Schmerztherapie ist die Komplementärmedizin eine beliebte Ergänzung zur traditionellen Medizin, die oft mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden ist.

Um dem Rechnung zu tragen, sollen junge Ärzte in Wien ab Februar 2006 im Rahmen der Turnusärzte-Ausbildung erstmals mit der Ganzheitsmedizin, die komplementäre Verfahren miteinbezieht, vertraut gemacht werden. "Es geht uns um seriöse Verfahren, die nicht im Widerspruch mit der modernen Medizin stehen", betont Gesundheitsstadträtin Renate Brauner (SP) im Gespräch mit dem STANDARD.

Jeweils 30 Jungärzte und -ärztinnen können an dem halbjährigen Lehrgang teilnehmen, der in acht Modulen Grundlagen von Kneipp- und Phytotherapie über Ayurveda und Traditionelle Chinesische Medizin bis zu Akupunktur und Homöopathie vermitteln soll. Andere Schwerpunkte liegen auf der ganzheitlichen Betrachtung von Tumortherapien oder Fragen nach Wetterfühligkeit und Raumklima. Das Projekt ist vorerst für drei Jahre angesetzt.

Ebenso nicht in der Ausbildung von Ärzten vorgesehen war bisher die manuelle Medizin, die bei Erkrankungen im Bewegungsapparat Abhilfe schaffen kann. Verspannungen und Krankheiten des Skeletts und des Bindegewebes sind schließlich für einen Großteil der Krankenstandstage verantwortlich, weshalb der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) den Turnusärzten auch Massage und Akupressur näher bringen will.

"Spritzensklaven" Diese Maßnahmen sind Teil der Ausbildungsreform, die Wilhelm Marhold bei seinem Antritt als Spitäler-Chef vor neun Monaten ankündigte. Die Ärztekammer hatte wiederholt kritisiert, dass Turnusärzte der Allgemeinmedizin als "Spritzensklaven" und "Mädchen für alles" missbraucht würden statt auf ihre zukünftige Tätigkeit vorbereitet zu werden. Seither habe er "wichtige Impulse" gesetzt, versichert Marhold. Mit einer Prüfkommission und hauptamtlichen Ausbildungskoordinatoren werde eine "Kultur der solidarischen Wissensweitergabe" forciert. In Wien beginnen jährlich rund 250 Mediziner ihren Turnus. (kri, DER STANDARD-Printausgabe 29.11.2005)