Der Schaden ist bereits angerichtet. Und das allein beweist, dass zumindest einige der Methoden, welche die USA im Antiterrorkrieg anwenden, auf der ganzen Linie kontraproduktiv sind. Außenministerin Condoleezza Rice muss zu einer diplomatischen Feuerwehraktion ausrücken, um die Europäer in der Sache angeblicher CIA-Geheimgefängnisse in Mitglieds- oder Kandidatenländern der EU zu beschwichtigen.

Zugleich hat Rice indirekt menschenrechtswidrige Methoden in der Terrorbekämpfung mit dem Argument verteidigt, man müsse Anschläge verhindern und damit Menschenleben retten. Das heißt nichts anderes als: Der Zweck heiligt die Mittel.

Da die US-Chefdiplomatin die Existenz von geheimen CIA-Gefängnissen in Europa nicht ausdrücklich bestreitet, ist davon auszugehen, dass es sie gibt. Was wiederum eine Zusammenarbeit mit europäischen Geheimdiensten voraussetzt. Ob diese Geheimdienste mit oder ohne Wissen der jeweiligen Regierungen handeln oder gehandelt haben, muss vorerst offen bleiben. Anzunehmen ist, dass sich die Amerikaner an jene Länder oder deren Geheimdienste gewandt haben, die ihnen sicherheitspolitisch nahe stehen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat dafür ja schon bei der Suche nach Verbündeten für den Irakkrieg das Wort vom "neuen Europa" geprägt und damit vor allem die damaligen EU-Beitrittskandidaten gemeint.

Zwei Länder wurden jetzt als mögliche Standorte für CIA-Gefängnisse genannt: Polen und Rumänen. Beider Regierungen haben vehement dementiert, und bis zum Beweis des Gegenteils muss man ihnen glauben. Aber der Schaden ist angerichtet, und er ist ein mehrfacher. Im transatlantischen Verhältnis, das sich nach den Erschütterungen des Irak-Konflikts gerade wieder - zumindest atmosphärisch - etwas stabilisiert hat, herrscht neues Misstrauen. Die neue deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird noch mehr Schwierigkeiten bei ihrem Versuch haben, die Nato als politisches Instrument aufzuwerten. Wie soll das gehen, wenn die Partner in einer Kernfrage, nämlich der Rolle der Menschenrechte und demokratischen Grundwerte in der Antiterrorstrategie des Westens, nicht übereinstimmen?

Damit ist auch schon Schaden Nummer zwei angesprochen: Denn diese grundsätzlichen Differenzen herrschen offensichtlich auch innerhalb der Europäischen Union. Wenn es um die Sicherheit geht, ist einigen Mitgliedern - und gewiss nicht nur unter den "Neuen" - der amerikanische Rock näher als das europäische Hemd. Das hat schon die "Koalition der Willigen" im Irakkrieg gezeigt. Aber die Ernüchterung, die inzwischen bei den meisten europäischen Irak-Koalitionären eingetreten ist, reicht augenscheinlich nicht für ein grundsätzliches Umdenken. Das liegt vor allem am Stand der Debatte über eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die ihrerseits durch die Krise nach dem De-facto-Tod der EU-Verfassung getroffen wurde.

Wenn jetzt ein Mitglied der Europäischen Kommission den Sanktionsmechanismus in Gang setzten will, falls Mitgliedsländer tatsächlich menschenrechtswidrig mit der CIA kooperiert haben, dann ist das so etwas wie eine Ehrenrettung für die EU als Wertegemeinschaft. Und zeigt, dass "Brüssel" doch mehr ist als ein bürokratisches Konstrukt. Aber es ändert nichts am jämmerlichen Zustand der so ^genannten europäischen Sicherheitsarchitektur. Diesen scheinen die USA gnadenlos auszunutzen bei dem, was sie im Antiterrorkampf für richtig halten. Und hier tritt Schaden Nummer drei ein, der ganz große. Denn wenn die USA mangels einer geschlossenen europäischen Haltung ungehindert nach dem Prinzip "Der Zweck heiligt die Mittel" vorgehen können, werden sie damit mittel- und langfristig das Gegenteil des Bezweckten erreichen - wie schon mit dem Irakkrieg: nämlich den Terrorismus weiter fördern, indem sie ihm selbst die besten Argumente liefern. (DER STANDARD, Print, 30.11.2005)