Viel Zeit bleibt der Regierung nicht mehr. Will sie ihre Mission erfüllen und den im Jahr 2000 begonnenen Marsch durch die Wüste Gobi erfolgreich abschließen, muss sie noch einiges an Distanzen und Hindernissen aus dem Weg schaffen. Oder rote Pfründe, wie sie die im öffentlichen Eigentum, also im Einfluss der Politik(er) stehenden Staatsbetriebe, gern bezeichnet.

Viele dieser gewerkschaftlich so gut organisierten roten Bastionen (bei denen man lange Jahre tatsächlich nicht genau wusste, wer sie wirklich führt) gibt es ohnehin nicht mehr, mit den Großbetrieben ÖBB, Post und Telekom sollte das Betätigungsfeld aber doch ausreichend groß sein.

Auch Spielkapital ist vorhanden: ein Generaldirektors- pöstchen hier, ein Immobilienverkauf dort und - wenn es besonders gut läuft - vielleicht sogar noch ein Börsengang und/oder ein Totalverkauf eines Indexschwergewichts an einen strategischen Partner, dem man ein weiteres (unselbstständiges) Wählamt andienen kann.

Wohl wissend, dass sie ein Ablaufdatum hat und wenigstens die Schlüsselstellen mit genehmen Kandidaten besetzt werden müssen, vergisst die Regierung freilich zunehmend, ihren Machtrausch in die bewährte Marketing-Watte zu verpacken. Wurde einst jeder millionenteure Managementwechsel generalstabsmäßig als Entpolitisierung verbrämt, macht man sich im aktuellen Fall Heinz Sundt nicht einmal mehr diese Mühe. Der Telekom-General muss weg, koste es, was es wolle.

Über die Motive, die die unter der Fuchtel von Finanzminister Karl-Heinz Grasser stehenden ÖIAG dabei leiten, lässt sich trefflich spekulieren. Fakt ist, dass Sundt den (zu) spät aus der Hoheitsverwaltung ausgegliederten und trotz erdrückender Altlasten an die Börse geprügelten Sanierungsfall Telekom durch die schlimmsten Zeiten in die Gewinnzone geführt hat.

Das danken ihm insbesondere jene Aktionäre, die die Volksaktie um neun Euro gekauft haben und die nach nur sechs Wochen deren Absturz auf unter sechs Euro hinnehmen mussten. Sie werden nun damit belohnt, dass sie heute beim Verkauf 19 Euro bekämen.

Fakt ist auch, dass Sundt und Grasser nicht immer an verschiedenen Fronten gekämpft haben. Im Winter 2000/2001 etwa, als der damalige ÖIAG-Vorstand Johannes Ditz den ersten Anlauf unternahm, Sundt zu stürzen. Er endete bekanntermaßen damit, dass nach Streicher auch der zweite Teil des rot-schwarzen Trachtenpärchens in die Wüste geschickt wurde.

Zwei Jahre und eine Debatte um den Staat als Kernaktionär später, in der sich Sundt als Verfechter des Staatseigentums outete, wendete sich das Blatt. Zum Schlechten, versteht sich. Eine "gepflegte Freundschaft", die auf gut Wienerisch nur mehr durch eine Parteifreundschaft zu übertreffen ist, war geboren.

Offensichtlich außer Acht lassend, dass der Staat nach den Teilverkäufen bei der Telekom nur mehr Minderheitsaktionär ist, begann der verkaufswütige Grasser prompt, die Ablöse des Telekom-Generals zu betreiben. Nicht ohne die Telekom gleichzeitig an die ihrerseits verstaatlichte Swisscom verscherbeln zu wollen.

Was er dabei nicht bedachte: dass der als Stimmvieh eingesetzte Aufsichtsrat aufmuckt. Der verlängerte den Vertrag des 57-jährigen TA-Chefs trotzig - aber nur um zwei Jahre. Freilich nicht, weil er den TA-Chef für unersetzlich hält, sondern weil er den hineinregierenden Minderheitseigner in die Schranken weisen wollte - und den Zeitpunkt für eine Hofübergabe an Sundts Kronprinzen Boris Nemsic für noch nicht gegeben sah.

Dass die Telekom Austria filetiert und ihre ertragreiche Mobilfunktocher Mobilkom verscherbelt werden soll, wie manche die Öffentlichkeit aufgeregt glauben machen wollen, ist wohl ein (willkommenes) Abfallprodukt. Damit lässt sich schließlich trefflich als Telekom-Retter punkten.

Übers Ziel hinauszuschießen kann ins Auge gehen, der "Entpolitisierungs-Abverkauf" dürfte vorerst aber verhindert worden sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 01.12.2005)