Wer fragt, führt. Vielleicht in Versuchung, vermutlich in die Irre, faktisch hinters Licht. Und sicher nicht aus dem Sanktionsschlamassel. Das einfache Parteimitglied warf ein Hölzl. Susi, die gut abgerichtete Erfüllungsgehilfin mit eingebautem Vermarktungsschmäh - "einzige Frau an der Spitze einer österreichischen Partei" -, hechelte selbstverständlich hinterher. Auch der Kanzler, der sich vom Koalitionspartner bereitwillig als "Strolchi" verhöhnen lässt, hat inzwischen brav apportiert. Eine Volksbefragung zum Thema Sanktionen ist also tatsächlich nicht mehr auszuschließen. Vordergründig hat die Idee ja Charme. Der Volkswille geschehe, der Souverän erhebt sich übers parteipolitische Gezänk, die empfundene Ohnmacht gegen ausländische Einmischung artikuliert sich in einem schmetternden "Ja." Doch halt. "Ja" wozu? Fragt man einen Migräne-Geplagten, ob er möchte, dass seine bohrenden Kopfschmerzen aufhören, wird er ziemlich sicher zustimmen. Lautet die Formulierung: "Sind Sie zu einem riskanten gehirnchirurgischen Eingriff bereit, der die Ursache Ihrer Kopfschmerzen vielleicht beseitigt?", dürfte die Antwort weniger eindeutig ausfallen. Die passende Fragestellung erzeugt nahezu jedes gewünschte Ergebnis. Politiker/innen wissen das. Sie wissen auch, dass die Manipulation an wutblindem Stimmvieh besonders gut funktioniert. Und den praktischen Nebeneffekt hat, Aufmerksamkeit von Sachthemen à la Sparbudget abzulenken. Das Rezept ist einfach. Erstens: Man gibt den Befragten bereits im Vorfeld der Entscheidung das Gefühl, ohnehin genau zu wissen, worum es geht. Dazu serviert man griffige Slogans, etwa "EU-Sanktionen, nein danke" oder "Wollen Sie Vaterlandsverrat und Auslands-Einmischung - oder echte Demokratie?". Jetzt noch propagandistische Unterstützung durch die üblichen Verdächtigen von Kronen Zeitung bis Bierzelt-Redner - und die Botschaft ist so fest verankert, dass viele "Ja" ankreuzen, ohne zu lesen, wofür sie eigentlich votieren. Nicht hingehen, nicht mitspielen Zweitens: Die Frage selbst formuliere man so, dass sie möglichst amtlich-verbindlich klingt, aber - und das ist Schritt drei - nach Vorliegen des Abstimmungsresultates in jede taktisch nützliche Richtung interpretiert werden kann. Denn was sonst als eine parteitaktische Finte sollte bei dieser Befragung herauskommen? Es ist hier nicht darüber zu entscheiden, ob die Bevölkerung ein Ende der Sanktionen will. No na will sie. Es ist streng genommen auch nicht über die Vorgangsweise der EU zu entscheiden. Denn die Union beschränkte sich, vertreten durch ihr Parlament, auf eine warnende Resolution an Österreich. Tatsächlich Maßnahmen getroffen haben 14 europäische Staaten, jeweils auf bilateraler Ebene. Wer das mit "der EU" in einen Topf wirft, betreibt Volksverdummung und befeuert eine Anti-Europa-Stimmung. Cui bono? Sicher nützt es nicht unserem Land, wenn genau in der Phase nationalistisch gezündelt wird, in der manche bereits an einer Rutsche aus dem Sanktionsschlamassel basteln. Geteilt - und somit durchaus Gegenstand offener Fragen - sind die Ansichten darüber, wie Österreich eine Aufhebung der Sanktionen befördern könnte. Soll eine Klage eingereicht werden? Es wäre eine Zumutung, diese Abwägung von der Bevölkerung zu verlangen. Schließlich bezahlt sie mit ihrem Steuergeld eine angeblich kompetente Regierung, die juristische Expertise und diplomatisches Know-how gefälligst anwenden möge, um das selbst zu klären. Soll der berühmt-berüchtigte nationale Schulterschluss per Volksentscheid entstehen? Eine dahin gehende Fragestellung, in herzerwärmende Phrasen wie "gemeinsames Vorgehen aller Parteien im Dienste Österreichs" gekleidet, wäre besonders perfide. Denn jedes "Ja" darauf erleichtert es der Regierung, die Opposition pauschal anzuschwärzen - und erschwert so den vorgeblich erwünschten, couleur-übergreifenden Konsens. Eine organisierte Abstimmungs-Demonstration nationaler Einigkeit wäre auch in der Außenwirkung fatal. Bisher ist vor allem die FPÖ Stein des Anstoßes. Erliegt die Bevölkerung der Versuchung, sie durch ein Trotz-Votum erneut und eventuell noch breiter abzustützen, wird wohl kein europäischer Partner über eine Aufhebung der Sanktionen nachdenken. Sondern nur darüber, wie man die Maßnahmen nun endgültig auf das gesamte Land und seine Einwohner/innen ausdehnt. Hilfreich wäre hingegen, zu erfahren, ob alle, die die FPÖ zuletzt gewählt haben, sie auch noch im Licht der jüngsten Erkenntnisse wirklich wollen. Doch das fragt natürlich keiner. Und selbst wenn, müssten Demokratie- Purist/innen zumindest ein "Nein, aber" in Erwägung ziehen. Weil's das nicht gibt, bleibt nur ein Ausweg, falls der Aufruf wirklich kommt: Nicht hingehen, nicht mitspielen. Denn die einzig richtige Antwort lautet: Hier wird der Grundgedanke einer Volksbefragung so pervertiert, dass man der Demokratie am besten dient, wenn man sein Wahlrecht nicht ausübt. Elisabeth Pechmann ist Chefredakteurin des Magazins "Alles Auto" und lebt in Wien.