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Der Mensch heute und ein Fossil seiner Vorfahren vor 400.000 Jahren

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Salzburg - Am 7. Juli schrieb Christoph Kardinal Schönborn einen bis heute diskutierten Kommentar in der New York Times, in dem er sich von der darwinistischen Evolutionstheorie distanzierte. An der Uni Salzburg trafen sich nun Wissenschafter, um das Thema auf dem Symposion "Evolution - Faktum und/oder Mythos?" zu diskutieren.

Beim heute gelehrten Darwinismus geht es um Inkonstanz der Spezies, die sich ständig durch Mutationen verändern; um Verzweigung der Evolution aus einem einzigen Ursprung. Evolution erfolgt in kleinen Schritten, bedeutet schrittweise Zunahme von Komplexität. Und schließlich geht es um natürliche Selektion in isolierten Populationen - üppiger Variation (Zufall) folgt die Elimination unterlegener Individuen (Notwendigkeit). Dieses formal minimalistische Programm kann mit einfachsten Mitteln umgesetzt werden, diese entsprechen jenen, die der Zelle und DNA zur Verfügung stehen.

Intelligentes Design erfordert zielgerichtetes Handeln wie es die bekannten biologischen Mechanismen der Zelle nicht ermöglichen. Wie neue Arten entstehen, wird in der Wissenschaft immer wieder kontrovers diskutiert.

Schönborn meinte, dass zwar alle Arten von einem Ursprung abstammen und die biblische Genesis nicht wörtlich zu nehmen ist, dass aber die Evolution nicht allein nach den Prinzipien von Mutation und Selektion erfolgt, sondern das planende Handeln einer Intelligenz (Gott) erfordert. Deshalb ersparte er es sich auch, die Eigenschaften dieser Intelligenz nähert zu beschreiben, weshalb sein Text letztlich keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben kann.

Nützliche Hypothese

Physiker und Philosoph Herbert Pietschmann (Wien) erörterte in Salzburg, was eine Hypothese eigentlich sei: Hypothese steht im Gegensatz zur Wahrheit, ist von Natur aus falsch, weil sie sich nicht auf das Ganze bezieht, aber sie ist nützlich. Aus einer solchen kirchlichen Sicht des 17. Jahrhunderts besitzt natürlich die Kirche die Wahrheit, sie lässt jedoch die Wissenschaften eines Galileo und seiner Nachfolger als Hypothesen zu.

Die moderne Erkenntnistheorie, wie sie der Konstruktivismus vertritt, kann dem zustimmen: Wissenschafter erfinden Hypothesen, mit denen sie Phänomene beschreiben können, testen ihre Theorien im Experiment. Sie behaupten weiters, dass der Mensch von der Welt nie mehr verstehen kann als die eigenen konstruierten Hypothesen, deren Brauchbarkeit sich empirisch erwiesen haben, dass Wahrheit nie festgestellt werden kann. Hat uns der Kardinal vor einem erkenntnistheoretischen Irrtum bewahrt?

In Salzburg wurde diskutiert, ob die Wahrscheinlichkeit von Mutationen überhaupt ausreicht, die Variation der Arten zu ermöglichen. Biologin Elfriede Maria Bonet (Wien) argumentierte mit Rupert Riedl: Koppelt man eine Gruppe zusammenwirkender Genen unter ein Regulatorgen, reicht die Veränderung eines Regulationsgenes aus, um weit reichende phänotypische Veränderungen hervorzurufen. Die mit DNA kodierte Information ist strukturell komplex organisiert, und es liegt an der spezifischen Organisation der Informationsstruktur, dass neue Arten auftreten.

Evolutionsbiologe Hans-Peter Comes (Salzburg) präzisierte: Die Zahl der Gene, die bei Pflanzen unterschiedliches Verhalten bewirken, ist klein, drei bis sechs reichen. Spricht man über Mutation, sollte man weniger Punktmutationen im Auge haben, sondern viel mehr Austausch größerer Informationseinheiten.

Unerforscht sind noch die Rolle des epigenetischen Systems (informationsverändernde Prozesse, die dem Genom nachgeordnet sind, für Systemkomplexität sorgen) und jene 97 Prozent der menschlichen DNA, die nicht für Gene kodieren, sondern Regulatorfunktion haben. Der Mensch unterscheidet sich von Artverwandten kaum in seinen Genen, erheblich jedoch in seiner regulatorischen DNA.

Die Hypothese vom Intelligenten Design stellt laut Biologen Wolf-Ekkehard Lönning (Köln) infrage, dass die genannten Mechanismen ausreichen, um die Entstehung neuer Arten aus bereits vorhandenen zu erklären. Vertreter dieser Theorie sprechen von "irreduzibler Komplexität biologischer Organe" (etwa Augen), die nicht aus kleinen Teilschritten entstanden sein können. Erst mit dem Endeffekt wird der Nutzen für den Daseinskampf erreicht, nicht mit einer Entwicklungsstufe. Lönning: Intelligentes Design sei kein politischer Fundamentalismus, keine religiöse Lehre, lehne Evolution nicht grundsätzlich ab und versuche nicht, die Theorie per Gesetz an Schulen zu etablieren.

Braucht man eine steuernde Intelligenz um die schrittweise biologische Evolution zu erklären? Der Darwinismus ist eine vergleichbar einfache formale Hypothese, wie mit einfachen Mitteln die Erreichung höherer Komplexität prinzipiell möglich ist. Aber muss sich die Komplexität jeder höheren Intelligenz nicht auch einmal entwickelt haben? Zumindest ist das eine legitime wissenschaftliche Fragestellung. Wie also steht es um die Evolution der Intelligenz? (Martin Potschka/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4. 12. 2005)