Berlin - Angesichts der Besorgnis in Europa über den Umgang der USA mit Terrorverdächtigen hat US-Außenministerin Condoleezza Rice die europäischen Verbündeten in die Pflicht genommen. Auf ihrem Flug nach Berlin - sie kam dort am Montagabend an - sagte die Ministerin vor Journalisten, einige europäische Länder müssten mehr Verständnis für das Vorgehen der USA zeigen.

Rice: "Noch nie dagewesene Umstände"

"Die USA sind mit den meisten dieser Länder befreundet und in den vorliegenden Fällen sind wir nicht nur Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus, sondern zum Teil schon seit dem Kalten Krieg oder sogar noch länger."

Rice verlangte von den US-Verbündeten in Europa, der Öffentlichkeit zu erklären, dass der Kampf gegen den Terrorismus drastische Mittel erfordere. Es sei nötig, "uns selbst und unsere Bevölkerung daran zu erinnern, dass es sich um schwierige Entscheidungen und schwierige Umstände handelt, mit denen wir nie zuvor konfrontiert waren". Von ihrer Europa-Reise erhoffe sie sich, dass der Kampf gegen den Terrorismus wieder stärker ins Blickfeld gerät.

"Vertrauliche Informationen"

Auf Fragen nach möglichen CIA-Geheimgefängnissen für Terrorverdächtige in Europa ging Rice auf dem Flug nicht ein. Dies seien "vertrauliche Informationen". Die Arbeit der Geheimdienste sei im "Krieg gegen den Terror" besonders wichtig: "Wir sind in einem Krieg, in dem geheimdienstliche Erkenntnisse Leben retten, und wir stellen geheimdienstliche Aktivitäten, die auf ebendies abzielen, nicht in Frage." Sie werde ihren europäische Gastgebern aber sagen, "dass wir die Gesetze nicht brechen, sondern uns an ihnen orientieren".

Vor ihrem Abflug nach Europa hatte Rice ebenfalls Kritik am Einsatz der CIA im Kampf gegen den Terror zurückgewiesen. "Wir werden jede rechtmäßige Waffe einsetzen, um diese Terroristen zu schlagen", hatte sie gesagt. Gleichzeitig hatte die Außenministerin deutlich gemacht, dass sie nicht dazu bereit ist, Einzelheiten der Vorgehensweise der CIA zu erörtern. "Wir können nicht Informationen diskutieren, die den Erfolg von Geheimdienstarbeit, Strafverfolgung, Militäreinsätzen gefährden würden", sagte sie. "Wir erwarten, dass sich andere Nationen dieser Ansicht anschließen."

Deutschland: Opposition droht mit U-Ausschuß

Das Flugzeug der US-Außenministerin landete am Montagabend auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Auf der ersten Station ihrer Europa-Reise wird Rice am Dienstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammentreffen.

In der Diskussion um CIA-Flüge in Europa und mögliche Verschleppungen brachten indes die deutschen Oppositionsparteien FDP und Grüne die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ins Spiel. Dies wäre denkbar, "wenn die Aufklärung der Bundesregierung nicht vollständig sein sollte", sagte Hans-Christian Ströbele, Vize-Fraktionschef der Grünen, der "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe).

Vertreter der Regierungsparteien und der Opposition forderten den ehemaligen Innenminister Otto Schily (SPD) zur Aufklärung auf. "Wir warten darauf, dass Schily klarstellt, ob der Bericht der Washington Post zutrifft", sagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Herta Däubler-Gmelin (SPD), der "Berliner Zeitung". Laut "Washington Post" soll der damalige US-Botschafter in Deutschland, Daniel Coats, Schily im Mai 2004 informiert haben, dass US-Behörden irrtümlich den Deutsch-Libanesen Masri verschleppt haben. Der Grünen-Politiker Ströbele sagte dazu: "Sollte Schily informiert gewesen sein, wäre es mit den Pflichten eines Innenministers unvereinbar." (APA/AP)