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Der Prozess gegen den gestürzten Diktator stößt im Irak auf großes Interesse. Allerdings wird die (aus Zensurgründen zeitversetzte) Übertragung immer wieder unterbrochen.

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Die Angeklagten im Blick: Saddam Hussein (1. Reihe re.) vor dem Richter Rizgar Amin.

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Bagdad - Die Stimme mit dem Bericht über die Folter am eigenen Leib und über die Jahre der Haft kam aus einem dicken grauen Vorhang. Erstmals seit Beginn des Prozesses gegen den früheren irakischen Diktator Saddam Hussein und sieben weiteren Angeklagten nutzte eine Frau die Möglichkeit, ihre Aussagen unter Verbergung ihrer Identität zu machen. Ein Computer verzerrte ihre Stimme, die Frau wurde am Dienstag im Gerichtssaal in der hochgesicherten grünen Zone von Bagdad nur als "Zeugin A" eingeführt. "Meine Jugend ist zerstört worden", sagte sie unter Tränen.

Verhandelt wird in dem Prozess des irakischen Sondertribunals nur ein Fall - die Verfolgung der Bewohner des schiitischen Dorfes Dudshail, nördlich von Bagdad, durch das Saddam-Regime. 1982 verübten Oppositionelle einen Anschlag auf den Konvoi des damaligen Präsidenten; Saddam ließ daraufhin fast 150 Dorfbewohner töten und eine große Zahl foltern, um Geständnisse über die mutmaßlichen Attentäter zu erpressen. Gleich nach ihrer Verhaftung nach dem gescheiterten Attentat in Dudshail sei sie von Polizisten gezwungen worden, sich vor ihnen zu entkleiden, berichtete die "Zeugin A".

"Sie fesselten meine Hände, sie schlugen mich mit Kabeln und sie gaben mir Elektroschocks", schilderte die Frau, die damals noch eine Jugendliche war, ihre Folter. Danach sei sie in einem kleinen, nur mit Rotlicht erleuchteten Raum gesperrt worden. Dort habe sie nur ihre Schuhe als Kopfkissen zum Schlafen gehabt. Die Verhöre hätten sich über Wochen hingezogen. "Durch ein schmales Fenster gaben sie uns Brot. Aber glauben Sie, dass wir nach all der Qual essen konnten?", fragte sie.

Wühlen nach Essen im Müll

Die "Zeugin A" war während ihrer Gefangenschaft immer wieder von einem Gefängnis zum anderen transportiert worden. "Ich sah Kamele und ich war neidisch, weil sie frei waren", sagte sie. In der Wüste habe sie mit anderen Häftlingen im Müll nach Essbarem wühlen müssen. Feuerholz hätten sich die Inhaftierten auf kilometerlangen Märschen zusammengesucht. Im berüchtigten Bagdader Gefängnis Abu Ghraib sei es im Winter so kalt gewesen, dass das Wasser gefror. Die Frauen hätten aus Decken Fäden gezogen, um sich etwas zum Anziehen zu nähen.

Saddam, sein Halbbruder Barsan al-Tikriti und die anderen Vertreter seiner ehemaligen Herrschaftsriege müssen sich in dem Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Während Saddam den Prozess am Vortag immer wieder mit lautstarken Rufen unterbrochen hatte - "Wenn Du meinen Kopf haben willst, dann nimm ihn", schleuderte er dem Richter unter anderem entgegen -, verfolgte er das Geschehen dieses Mal scheinbar teilnahmslos. (Reuters, red/DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.12.2003)