Der britische Vorschlag für ein auf rund 847 Mrd. gekürztes EU-Budget in den Jahren 2007-2013 trifft fast durchwegs auf Ablehnung. Insbesondere die neuen EU-Mitgliedsländer halten die Pläne der britischen Ratspräsidentschaft für unannehmbar.

Chirac fordert neuen Vorschlag

Der französische Präsident Jacques Chirac hat von Großbritannien einen neuen Vorschlag zur Lösung des Streits über die langfristige EU-Finanzplanung gefordert. Chirac habe seine Bedenken über die Vorschläge Großbritanniens bei einem Telefonat mit Premierminister Tony Blair zur Sprache gebracht, sagte der Sprecher Chiracs am Dienstag. "Der Präsident der Republik unterstrich, dass die aktuellen Vorschläge der britischen Ratspräsidentschaft problematisch sind."

Rasmussen: "Unsolidarisch und ohne Profil"

Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen hat den britischen Vorschlag als schwach und unsolidarisch abgelehnt. "Es ist ein Mangel and Solidarität, wenn man eine Erweiterung durchführt, die im Interesse aller war, und dann beinhaltet der Plan, dass die reichen Länder nicht bereit sind, die Kosten der Gemeinschaft zu tragen", sagte Fogh Rasmussen laut dänischer Nachrichtenagentur Ritzau am Dienstag in Kopenhagen.

Außerdem kritisierte der dänische Regierungschef, dass der Vorschlag zu wenig zukunftsorientiert sei und beispielsweise zu geringe Förderungen für Forschung und Entwicklung vorsehe. Fogh Rasmussen kündigte seitens Dänemark Kompromissbereitschaft an, nun müsse jedoch erst einmal verhandelt werden. Der derzeitige Vorschlag der Briten habe jedoch "ganz einfach zu wenig Profil", so Fogh Rasmussen.

Persson: "Nicht gut, aber richtige Richtung"

Der schwedische Ministerpräsident Göran Persson sagte am Dienstag laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT, der neue Vorschlag sei zwar "nicht gut", aber er gehe in Bezug auf die Gesamtsumme in die richtige Richtung. Schweden setzt sich für einen deutlich geringer als bisher bemessenen langfristigen EU-Haushalt ein.

Persson beurteilte den am Montag präsentierten Vorschlag, den er als "ziemlich pro-britisch" bezeichnete, eher als "erstes Angebot" denn als echte Verhandlungsgrundlage. Für Nettozahler Schweden brächte der britische Vorschlag nur geringfügige Vorteile, so Persson: "Ja, wir würden ein wenig dabei verdienen, aber es ist nicht ausreichend", so Persson.

Merkel: Muss noch hart verhandelt werden

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Dienstag betont, es sei positiv, dass die britische Präsidentschaft einen solchen Vorschlag unterbreitet habe. Eine erste Prüfung zeige jedoch, dass der Entwurf noch einige Ecken und Kanten habe. Auf dem Gipfel der EU in der kommenden Woche bedürfe es noch "sehr sehr harter" Verhandlungen, damit es zu einer Einigung kommen könne, "was ich begrüßen würde", sagte Merkel.

Paroubek: "Nichts angenehmes"

Der tschechische Regierungschef Jiri Paroubek erklärte am Dienstag, der britische Entwurf sei "nichts Angenehmes". "Ich kenne ihn (den Entwurf) schon seit Freitag", erklärte Paroubek in Anspielung auf das Treffen der Regierungschefs der Visegrad-Gruppe (Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn) mit dem britischen Premier Tony Blair in Budapest. "Ich habe ihm (Blair) gesagt, dass ich froh wäre, wenn die Last der Budgetkürzungen alle gleichmäßig trügen, nicht nur die neuen EU-Länder", so Paroubek.

Die Prager Tageszeitung "Pravo" kritisierte in einem Kommentar, dass der britische EU-Vorsitz nach halbjährigem Taktieren mit einem Paket von Kürzungen gekommen sei, das vor allem die ärmeren EU-Länder treffen solle: "Was ist das für eine Moral?" London könne jedenfalls nicht mehr mit einer strategischen Partnerschaft mit den Neuen rechnen, schreibt das Blatt.

Für den ungarischen Regierungschef Ferenc Gyurcsany ist die Zeit noch nicht gekommen, einen "schlechten Vorschlag" annehmen zu müssen. Gyurcsany, der bereits am Montagabend seine Enttäuschung über den britischen Vorschlag zum Ausdruck gebracht hatte, möchte, dass die EU-Förderungen auch für die Erneuerung von Wohnhäusern und Landstraßen verwendet werden können.

Die nunmehr entstandene Situation sei kein Grund, eine so "selbstbewusste Nation" wie die ungarische zur Aufgabe ihres Standpunktes "zu zwingen". Am Ende der Verhandlungen würde dann jeder einsehen, dass "hier oder dort" ein Kompromiss gefunden werden müsse. Die Zeit sei noch nicht gekommen, dass Ungarn einem "schlechten Angebot" zustimmen müsse, meinte der Ministerpräsident.

Marcinkiewicz: "Nicht akzeptabel"

Polens Premier Kazimierz Marcinkiewicz hat den britischen Vorschlag als nicht akzeptabel bezeichnet. Nach einer Kabinettssitzung in Warschau warf der konservative Politiker Großbritannien am Dienstag "einen Mangel an Solidarität" vor. Die Stellungnahme der polnischen Regierung solle am Freitag dem polnischen Parlament vorgestellt werden.

Marcinkiewicz hoffte darauf, dass in den kommenden Tagen noch vor dem Brüsseler EU-Gipfel in der nächsten Woche innerhalb der EU-Staaten eine Verständigung über Verhandlungen über den britischen Vorschlag erzielt werden kann. Die Sparvorschläge könnten nicht akzeptiert werden, da die Lasten ungleich verteilt würden. So entfielen auf Polen angesichts der vorgesehenen Mittelkürzungen für die neuen EU-Mitglieder rund ein Viertel der Einsparungen.

Estland will weiter verhandeln

Auch in den baltischen Staaten ist der britische Vorschlag erwartungsgemäß auf wenig Begeisterung gestoßen. Die estnische Regierung veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung, wonach der am Vortag präsentierte Vorschlag "die von den Mitgliedern geäußerten Meinungen nicht berücksichtigt und offenbar noch weiter von einer Lösung wegführt".

Die Regierung in Tallinn betonte zwar gleichzeitig, weiter verhandeln zu wollen, um eine Lösung noch im Dezember zu ermöglichen. Der gegenwärtige Vorschlag entspräche jedoch nicht dem Prinzip der Solidarität und könne zu einer "künstlichen Kluft zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern" führen. Laut dem Kommunique wäre notfalls eine Verschiebung der Budget-Entscheidung um sechs Monate für Estland "kein großes Problem".

Litauische Regierung "nicht einverstanden"

Ähnlich äußerte sich am Dienstag der Außenpolitische und EU-Ausschuss im litauischen Parlament, der sich auf frühere Aussagen litauischer Regierungsmitglieder bezüglich der litauischen Position in der Frage bezog und sich mit dem britischen Vorschlag als "nicht einverstanden" erklärte. Ministerpräsident Algirdas Brazauskas hatte einige Tage zuvor gesagt, Litauen werde nicht "um jeden Preis" dem EU-Budget zustimmen.

Die Beraterin von Lettlands Ministerpräsident Aigars Kalvitis, Sanita Pavluta-Deslandes, sagte in einer ersten Reaktion im lettischen Fernsehen, der britische Vorschlag entspreche nicht den Vorstellungen Lettlands im Sinne einer für das Land möglichst vorteilhaften Umverteilung. Allerdings räumte Pavluta-Deslandes ein, dass Lettland nach dem neuen Vorschlag immerhin mehr EU-Gelder bekomme als aus dem Budget der letzten beiden Jahre; man könne daher "nicht von Verlusten" sprechen, die Frage sei vielmehr, wie viel Lettland dabei für sich herausholen könne.

Enttäuschung in Paris

Auch in Paris ist der britische Kompromissvorschlag auf Kritik gestoßen. Die Vorschläge seien "nicht geeignet, zu der von uns gewünschten Übereinkunft zu führen", sagte Außenminister Philippe Douste-Blazy am Montag Abend in Paris. "Das Gleichgewicht" des von Luxemburg vorgelegten Kompromissplans werde "von den jüngsten Londoner Vorschlägen zerstört". (APA/dpa/Reuters/red)