Bild nicht mehr verfügbar.

Billy Idol kehrt nach zwölf Jahren Pause zurück auf die Bühne. "Rebel Yells" im Wiener Gasometer!

Foto: AP /KEYSTONE/Steffen Schmidt
Wien – Billy Idol ist gerade 50 Jahre jung geworden. Und er ist unverwundbar. Er hat in den 80er- und frühen 90er- Jahren nicht nur von Miami Vice heraufwehende kolumbianische Schneestürme und andere Überdosen überstanden, die ihn zweimal an den Rand des Todes brachten. Auch ein überlebter schwerer Motorradunfall deutet darauf hin, dass der gute Mann von einem schon wieder lebensgefährlich sinnfrei gespielten Gitarrensolo seines Freundes Steve Stevens nicht einmal tangiert werden wird.

Diese von Pudelfrisuren- Sammler Steve Stevens ohne Not aus grauenhaft hässlichen Designergitarren gewürgten und gezerrten Selbstverwirklichungen klingen ungefähr so, wie wenn einem im Auto der Kassettenrekorder eine Kopie von Queens A Night At The Opera frisst und man sich deswegen am liebsten schützend die Hand vor den Schritt halten würde. Nein, Gnade ist kein Kriterium eines Konzertes von Billy Idol.

Wenn es Billy Idol ganz zu blöd wird, sprich, wenn Steve Stevens eine Viertelstunde lang im Trockeneisnebel auf einer Flamencogitarre einen autistischen Schub bekommt, hat er auch leicht lachen. Er kann inzwischen ja mit der restlichen Band hinter die Bühne gehen und sich dort im Spiegel an seinem spitzenmäßigen Waschbrettbauch erfreuen oder sich die Muckis küssen. Gut schaut er aus, der Billy! Und: Es ist verdammt toll, Billy Idol zu sein!

Nach zwölfjähriger "Kreativpause" ist der einstige Punk-Kasperl zwischen Synthiepop-Schwulst, Haarspray- Metal und Sex Pistols für Krabbelkinder heuer mit der rüstigen CD Devil's Playground zurückgekehrt, um sich auch weiterhin eine gemütliche Frührente auf der Sonnenbank sichern zu können. Der Künstlername Idol kommt vom englischen Begriff "idle", sprich: fauler Hund. Das musste sich Billy oft vom Lehrer sagen lassen. Aber Billy war das egal. Billy ist ein Punk.

Keine Sorge, Billy Idol war noch nie etwas peinlich. Deshalb müssen wir uns heute auch nicht schämen. Wir dürfen beim Konzert im mit älteren Leuten gut gefüllten Gasometer exakt an jener Stelle herrlich lebensblöd schreien, wenn sich der Held bei White Wedding auf die Monitorboxen stellt und sich das gut eingesaute Muskel-T-Shirt langsam auszieht, um es ins Publikum zu klatschen: Friede den Ö-Driverinnen! Das Leben ist ein Hit!

Wenn Billy dann noch herrlich arrogant die Lippe nach oben zieht und die zum eigenen Brustkorb hin gerichtete Faust ballt, der dann nur mehr der gestreckte Mittelfinger fehlt, dann gibt es überhaupt kein Halten mehr. Eyes Without A Face, Flesh For Fantasy, Hot In The City, Sweet Sixteen: Was heute auf Sex And The City-Clubbings den leicht abgestandenen Charme jener Zeiten verbreitet, in denen Los Angeles als Paradies, Aerobic als sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Guns N' Roses als Musik galten, funktioniert live bei diesem gut gelaunt absolvierten Hüttenabend immer noch ausgezeichnet.

Nur dass man heute hinter der Schank nicht mehr weiß, dass es Rüscherln nicht nur für Mädchenröcke und Bonanza auch für den Kater gibt, macht ein wenig melancholisch. Dasselbe Problem haben wir ja mit Petting. Kennt heute keine Sau mehr. Ach ja, Rebel Yell am Schluss war natürlich ein Wahnsinn. Allerdings, wogegen rebellieren wir jetzt gleich noch einmal?! (DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.12.2005)