Wien – Budapest, Bukarest, Belgrad, Kiew, Kairo und Lagos – in österreichischen Vertretungen in diesen Städten soll es zwischen 2002 und 2004 eine schwunghaften Handel mit illegal ausgestellten Visa gegeben haben. Das bestätigte am Dienstag der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Kyrle, in Wien. Gegen vier Mitarbeiter laufen strafrechtliche Ermittlungen, zwei davon sind inzwischen pensioniert, einer entlassen, einer suspendiert.

Den Vorwurf eines "kriminellen Netzwerkes" aufseiten der Beamtenschaft, wie es im dem Standard vorliegenden Ermittlungsakt der Polizei heißt, wies Kyrle zurück. Er erklärte aber, dass einige Konsularmitarbeiter in den vergangenen Wochen versetzt worden seien. Wie viele disziplinarrechtliche Verfahren eingeleitet worden seien, gab der Generalsekretär nicht preis. Auch zur Anzahl der illegalen Visa, Ermittler sprechen von mindestens 50.000, wollte er nicht Stellung nehmen. Kyrle versicherte, dass auch intern jedem einzelnen Fall nachgegangen werde.

In den betroffenen Vertretungen wurde eine außerordentliche Sicherung der Visa- Daten verfügt, bis auf Weiteres sind alle Papierakten unter Verschluss. Elektronisch gespeicherte Visa-Eckdaten lassen sich bis 1997 zurückverfolgen. An den 100 österreichischen Vertretungen im Ausland werden pro Jahr rund 400.000 Visa genehmigt.

Der FP-Abgeordnete Reinhard Bösch brachte Dienstag im Plenum des Nationalrates auch heimische Vertretungen in Russland ins Spiel. Eine "glaubwürdige Informantin" behaupte, dass es seit Jahren in Vertretungen in Moskau und St. Petersburg einen regen Handel mit Touristenvisa gebe. Die mit einem Österreicher verheiratete Russin habe Details über die Vernetzung von Reiseveranstaltern und Touristenverbänden mit Botschaftsbediensteten sowie die Art und Höhe der Bezahlung genannt, so Bösch. Entsprechende Sachverhaltsdarstellungen seien an Außen- und Innenministerium sowie an das Bundeskanzleramt geschickt worden. Im Außenamt gab es für die angebliche Russland-Connection vorerst keine Bestätigung.

Wie berichtet, hätte die Visa-Affäre bereits viel früher auffliegen können, doch eine entsprechende Anzeige eines polizeilichen Verbindungsbeamten in Kiew war 2003 nach fast einjährigen Vorerhebungen von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Angeblich war die Suppe zu dünn, weil belastende Akten verschwunden waren. Wiederbelebt wurde die Angelegenheit durch den inzwischen pensionierte SP-Politiker Helmut Edelmayr, dem schon damals die ergebnislose Überprüfung der Vorwürfe spanisch vorgekommen war.

Auf politischer Seite überschlagen sich SPÖ, Grüne und FPÖ weiterhin mit der Forderung nach einem parlamentarischen U-Ausschuss. (DER STANDARD, simo, Printausgabe, 7.6.2005)