Foto: Maria Maria Accessoires

Rolf Mayer ist ein gewissenhafter Geschäftsmann, er glaubt an sein Produkt, und irgendwann wollte er dann doch einmal wissen, was seine Kunden eigentlich damit anfangen. Der Schweizer verkauft auf seiner Webseite www.mariamaria.ch religiöse Modeaccessoires wie etwa Rosenkränze und Escapulario-Anhänger, also Seidenschnurketten mit zwei farbigen Heiligenbildamuletten, denen man in Brasilien Glück bringende Wirkung zuschreibt. Rolf Meyer, dieser Eindruck entsteht, glaubt an Gott und die Wirkmächtigkeit seiner Waren.

Als er in den Mode- und Klatschmagazinen immer häufiger Prominente wie David Beckham mit Jesus-Juwelen sah, beschloss Mayer deshalb, auf seiner Webseite eine Umfrage durchzuführen. "Warum kaufen Sie?", fragte er seine Kunden, "ist es nur Modeschmuck oder doch der Glaube?" Bislang gaben 24 Prozent der Internetkunden religiöse Motivation an, für 26 Prozent ist es nur Modeschmuck, der große Rest entschied sich für eine diffuse Mischung aus ästhetischem Appeal und altem Aberglauben.

Schmuck mit religiösen Motiven wird immer häufiger getragen

Ketten und Anhänger, die religiöse Symbole wie Kreuz, Ikonen und Heiligenmalerei munter vermischen, findet man in Kaufhäusern, im Internet und auch beim Straßenhändler an der Ecke. Dabei gilt: je greller und bunter, desto besser. Beim Modell Escapulario Luxo-SS von "Maria, Maria" etwa, sind die Heiligenbildchen mit silbernen Rahmen und Strass versehen. Der Rosenkranz T-Med besteht aus schwerem Eisen und vielen kleinen Ikonenbildern. Während der klassische christliche Schmuck eher zurückhaltend ist - man denke an das kleine silberne Kreuz unter dem Hemd -, sind die neuen Jesus-Juwelen laut und auffällig und bunt. Vielleicht orientieren sie sich unbewusst an den großen, mit Diamanten besetzten Kreuzen der amerikanischen HipHop-Stars - eine Art christliches Bling-Bling. Jeder soll sehen, an wen man glaubt. Der Rosenkranz als Fanschal der Papa-Boys.

Rosenkranz als Modeschmuck und Plastik-Jesus

"Der Rosenkranz wird zum Modeschmuck", vermeldet man begeistert auf der Webseite von "Maria Maria". Bei der Konkurrenzfirma www.escapulario.comaus Deutschland zeigt die Startseite einen Haufen von Amuletten und Anhängern: Jesus liegt dort gleichberechtigt neben russischen Matroschkas, asiatischen Amuletten und japanischen Cartoonfiguren. "Wir kombinieren traditionelle Talismane (...) mit der Formensprache des 21. Jahrhunderts", heißt es auf der rosafarbenen Webseite. Ein Plastik-Jesus erteilt dem bunten Popwahnsinn mit ausgebreiteten Armen scheinbar seinen Segen.

Kitsch ist das erste Wort, das einem dabei einfällt

... ganz neutral ist das gemeint, als Begriff für die Reizakkumulation der bunt-funkelnden Marienbildchen, die beim Betrachter wohl vor allem Rührung hervorrufen sollen: engelsgleiche Mienen, pastellfarbene Gewänder, das Niedliche und Bunte, das Ungetrübte und Harmonische. Der Philosoph Konrad Paul Liessmann schrieb einmal: "Im Kitsch holen wir uns das zurück, was die Moderne uns verwehrt: den Reiz, das Gefühl, das Bunte und das kleine Glück, vor allem aber die Empfindungswelt der Kindheit."

In Galerien und In-Bars findet man sie schon lange: die herzförmigen Grablichter, die Marienikonen mit Weihnachtsschmuck, den milden Jesus am Kreuz. "Auf der Höhe des Zeitgeschmacks ist nicht der gläubige Mensch, der in der Kitsch-Madonna den Widerschein der Erlösung im trauten Heim erblickt", schreibt Liessmann, "sondern der kulturstudiengeeichte Agnostiker, der nach Einsiedeln fährt, um eine originale Kitsch-Madonna zu erstehen."

Christliche Talismane haben eine lange Tradition

Die Kirche hat immer gegen den Aberglauben im Volk gekämpft. Doch christliche Talismane haben eine lange Tradition, auch wenn das Wort "tilsam", was Zauberbild bedeutet, eigentlich aus dem Arabischen stammt. Die "magic images" sollten gegen Krankheiten und Zauberei schützen oder als genereller Glücksbringer dienen. Mit einem Rosenkranz in der Tasche oder einem Escapulario um den Hals versichert sich das säkularisierte "fashion victim" des Wohlwollens einer höheren Instanz.

Die Importeure des religiösen Schmucks betonen, dass die Escapularios vor Ort in Brasilien, wenn nicht gar in einem Kloster hergestellt werden. Die Anhänger haben sozusagen die Aura einer ärmeren, aber authentischeren Welt, in der man noch weiß, was gut und was böse ist. Die Firma Escapulario.com verspricht gar, für jedes verkaufte Schmuckstück 50 Cent an Missio oder die Kindernothilfe zu zahlen. Durch die Spende wird das Heiligenbildchen dann sozusagen noch einmal moralisch aufgeladen - als funktioniere auch das himmlische System mit einem Payback-Punktesystem. Dahinter steht eine alte christliche Ethik: Gib, so wird dir gegeben!

Vielleicht um mögliche Regressforderungen abzuwehren, erklärt Rolf Meyer auf der Maria-Webseite den eigentlichen Sinn des Schmucks. "Es soll Dich an Deine Würde als Christ, Deine Hingabe im Dienst am Nächsten und die Nachahmung Mariens erinnern", schreibt er in einer Art Gebrauchsanweisung. Und: "Es gibt keine automatische Erlösung." (Tobias Moorstedt; DER STANDARD, Rondo/9/12/2005)